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Episode 4 - Gasard

Vor mir steht ein gut aussehender, schweißgebadeter Typ, der mir beim ersten Anblick sofort den Atem raubt, und das Einzige, was ich tue, ist ihn verwundert anzustarren.

Kaia hat in einem Gespräch erwähnt, dass er etwas zugelegt hätte. Wenn ich ihn ansehe, stelle ich mir nur die Frage: Wo? Vielleicht meint sie ein paar Mikrogramm, die ich nicht entdecken kann. 

Bei seinem netten Lächeln vergesse ich sogar meine Begegnung mit diesen beiden Wachen. Kyle, Tosas Freund, der mich und Nora angriff und dieser Typ, dem wir unsere Rettung zu verdanken haben.

Aber irgendwie wird es mir hier auch nie langweilig.

 ***

„Angenehm", antworte ich, nachdem ich mich wieder gefangen habe. 

Ein breites Grinsen zieht sich über sein Gesicht.

„Sehe ich etwa so schlimm aus?"

Ich schüttele energisch den Kopf.

„Eher das Gegenteil!" Sofort beginnt er lauthals zu lachen, während ich darüber froh bin, dass das Licht hier unten diese Farbe besitzt. Ansonsten könnte er mich deutlich erröten sehen. 

Musator, der bei uns steht, stellt das Blech ab, dann verschwindet er. Aber das bekommen wir beide nicht so richtig mit.

Gasard nimmt das Handtuch, das neben seiner Jacke liegt, und trocknet sich damit den verschwitzten Körper ab.

„Du bist also Janeras Tochter", stellt Gasard überrascht fest. Neugierig betrachtet er mich von allen Seiten. „Zwar noch ziemlich jung, aber auch verdammt hübsch." Ich fühle, wie ich noch mehr erröte. 

Er lacht erneut auf. 

„Ich hoffe, dass du nicht allzu sehr charakterlich nach deiner Mutter kommst."

Ich sehe betrübt auf den Boden, als er dieses Thema erwähnt.

„Ich hab gehört, was sie getan haben soll", sage ich. „Doch sogar aus ihrem Mund kann ich es nicht glauben." 

Er fährt mir über mein Haar.

„Es tut mir leid! Ich hätte das lieber nicht sagen dürfen."

„Schon okay!", kommt es von mir, auch wenn ich nicht danach aussehe, als sei alles in Ordnung.

„Du willst also irgendwas machen?", lenkt Gasard auf ein anderes Thema, dabei lässt er seinen Blick über die Raumschiffe gleiten. 

„Ich dachte ich frag mal", ruf ich. „Der nette Herr, der mich unbedingt in seiner Nähe haben wollte, ist verletzt und Nora ist nur bei mir gewesen, weil sie hier Angst hatte." Ich weiße auf das Mädchen, das sich mit der Gruppe Männer unterhält. „Aber anscheinend hat sie ein paar bessere Beschützer gefunden."

„Aha!", kommt es gespielt enttäuscht von Gasard. „Die Dame fragt nur um Arbeit, weil ihr langweilig ist!"

„Nein, nein." Ich schüttele hektisch den Kopf, worauf er wieder zu lachen beginnt.

„Also das Ding ist Schrott", erklärt er mir. „Die anderen Schiffe sind eher wegen der Schönheitspflege als zur Reparatur hier. Torsos ist der Meinung: Nur ein strahlendes Raumschiff ist ein beeindruckendes Raumschiff! Also musst du dich wohl oder übel weiter langweilen." 

Gasards amüsiertes Lächeln verschwindet, als er drei Raumschiffe erblickt, die gerade herein gefahren werden. 

„Oder du bleibst in meiner Nähe!", dringt es unter einem Seufzen aus seiner Kehle. Bei dem Anblick, der sich ihm jetzt bietet, wirkt er niedergeschlagen. „Die denken eh alle, ich langweile mich den ganzen Tag, also schadet es nichts, wenn sie ein paar Raumschiffe zerlegen."

Mit schnellem Schritt, den ich laufend nicht aufholen kann, stürmt er auf die Raumschiffe zu. 

„Wer will mir den Tag denn heute vermiesen?", brüllt er zu den Schiffen.

Sie werden von zwei Wachen hereingefahren. Einer der Männer bedient die Steuerung, während der andere auf Hindernisse im Weg achtet und manchmal Kommandos zu seinem Kameraden ruft. Die eindrucksvollen Maschinen stehen auf jeweils einer Platte.

Ich hocke mich hinunter. Drunter finden sich keine Rollen. Für mich erscheint es, als schweben sie. Ich zeige mich sichtlich beeindruckt von der Technik und ernte manches Kopfschütteln.

Für sie mag es normal sein, mir ist es neu. Daher interessiert mich nicht, wie andere auf meine Neugier reagieren.

Die Platten kommen zum Stehen, sofort darauf verlieren sie an Höhe, bis sie auf dem Boden aufsetzen.

Ich stehe auf und sehe gerade noch, wie die beiden Wachen mit wachsender Panik im Gesicht ihren Weg zurück antreten.

Nicht etwa wegen der Gefangenen. Sie beeindruckt ein mit schnellen Schritten auf sie zu stapfender Mann.

Ich stehe wieder.

Nur ein Mann bleibt zurück, der hinter einem der Raumschiffe hervortritt.

„Ich gebe dir einen Tipp!", ruft der Mann in schwarzer Kleidung. „Vier Buchstaben und einen süßen Arsch!" Der muskulöse Mann grinst breit, als er mich erblickt, gilt seine ganze Aufmerksamkeit mir. 

„Wenn ich die erwische, dann kann sie was erleben!", brüllt Gasard zornig. „Wieso entwickele ich extra Schutzschilde für sie, wenn diese Zicke die eh nicht nutzt?" Er stöhnt auf, mit seiner Hand fährt er sich durch das kurze Haar. „Beruhig dich!", muntert er sich selbst auf. „Es kann nicht schlimmer kommen!"

„Bevor ich es vergesse", ruft der Mann. In dem Licht erkenne ich nur einen durchtrainierten Körper und das Gesicht eines gutaussehenden Mannes. „Diese Drei sehen nicht ganz so schlimm aus. Die anderen fünfzehn stehen noch im Hangar."

„Das ist doch nicht wahr!", brüllt Gasard auf, beruhigt sich aber gleich wieder. „Lumar, du kannst mal dafür sorgen, dass dieses Schiff …" Er deutet auf das Raumschiff, an dem er eben noch gearbeitet hat. „… und die besagten 15 auf den schnellsten Weg zur Verwertung kommen. Ich weiß nicht mal, ob ich diese Drei wieder zum Fliegen bekomme."

„Hey, wenn einer die Dinger flugtüchtig bekommt, dann bist du das!", behauptet Lumar.

Gasard macht sich daran das Raumschiff von allen Seiten zu betrachten. Auch von innen. 

„Und wer bist du?", lautet Lumars Frage an mich. Neugierig mustert er mich.

„Janine!", antworte ich ihm. Lumars Blick, mit dem er mich betrachtet, zeigt deutlich sein Interesse. 

„Wie wäre es?", schlägt er vor. Mit seiner Hand fährt er durch mein schwarzes Haar. „Ich entführe dich aus diesem Loch und wir machen eine kleine Spritzfahrt durchs All."

„Klingt wirklich nett!", gebe ich zu. Lumar sieht wirklich extrem gut aus, aber leider ist er mit seinen 30 Jahren, auf die ich ihn schätze, zu alt für mich. Er sieht mich frustriert an, als ich ihm das direkt ins Gesicht sage. 

Geknickt läuft er davon.

„Was hat denn der?", lautet Gasards Frage, als er von seiner Besichtigung zurück ist. 

„Hab ihm nur gesagt, dass ich nicht auf Männer stehe, die doppelt so alt sind, wie ich", lautet meine Antwort. Gasard beginnt lauthals loszulachen, dabei tätschelt er meinen Kopf. 

„Na dann!", ruft er. „Wenn du mir helfen willst, fangen wir an!"

Gasard nimmt das erste der drei Raumschiffe fast komplett auseinander, nur um es dann wieder mit neuen Teilen aufzubauen. Meine Aufgabe besteht darin, ihm alle Materialien und Werkzeuge zu reichen. 

Auch wenn ich ihm des Öfteren das falsche Kabel oder Werkzeug reiche, lächelt er mich nur an und erklärt mir geduldig, nach was er verlangt hat. 

Er ist mir von unserer ersten Begegnung an sympathisch. 

Obwohl ich nicht verstehe, was seine Aufgabe hier ist. Für einen Krieger ist Gasard viel zu sehr damit beschäftigt, die Raumschiffe zu reparieren, zu den Gefangenen lässt er sich aber auch nicht zählen. Nicht das irgendeinem der Männer Verbrecher an die Stirn gepinnt steht aber er will für mich dennoch nicht dazu passen.

„Hey Janine!", spricht mich plötzlich Nora an. „Wir sollten besser essen gehen."

Recht hat sie. Die meisten der Gefangenen stehen schon für ihr Essen an, während ich hier noch mit ihm vor dem Raumschiff sitze. Außerdem wird es wirklich Zeit, dass ich etwas esse.

Mein Blick wandert zu Gasard, mit seinem netten Lächeln.

„Warte kurz!", ruft er. 

Gasard befestigt ein letztes Blech am Raumschiff, bevor er aufsteht. „Müsste soweit wieder funktionieren", meint er. Sein Blick wandert zurück auf mich. Nora, die neben mir steht, sieht ihn bewundernd an. „Ich geh duschen und dann lade ich euch beide ein mit mir zu essen."

Nicht nur Nora ist darüber begeistert. Es ist besser, als sich ein kleines Schälchen teilen zu müssen. 

„Sehr gerne!", kommt es von mir. 

„Weißt du was, Janine?" Ich schüttele verwundert den Kopf. „Es ist nett jemanden zu haben, der einem hilft." Er überlegt kurz. „Scheinbar kommst du doch nicht nach deiner Mutter."

In mir steigt bei seinen Worten ein tiefer Schmerz auf, ausgelöst von der Angst um sie und dem Vermissen, wie man es nur für die eigene Mutter empfindet.

Wieso muss er ausgerechnet hier Salz in die Wunde reiben?

Mein Kopf senkt sich betrübt.

„Es tut mir leid!" Gasard seufzt. „Ich muss dir wie ein emotionsloser Trampel vorkommen."

„Dass meine Mutter hier weniger Freunde hat, hab ich schon verstanden", sage ich und zwinge mich zu einem kraftlosen Lächeln. 

„Ich weiß, dass es nicht sehr nett ist." Ein erneutes Seufzen kommt von ihm. „Neugierig bin ich schon. Was ist denn mit deinem Vater und deinem Bruder?"

„Außer, dass ich erst erfahren hab, dass ich einen anderen Vater hatte, als der, bei dem ich aufwuchs", antworte ich. „Mein Bruder und mein Vater sollen beide tot sein."

Gasards fährt sanft über meinen Kopf. Ein Lächeln huscht über seine Lippen, mit der Hoffnung mich aufmuntern zu können. 

„Weißt du was Janine!" Er geht zu seiner Jacke und nimmt sie in die Hand. „Ich kann mir vorstellen, wie du dich jetzt fühlst." Er stöhnt auf, als er wieder zu uns kommt. „Als Kaias und mein Heimatplanet zerstört wurde, war ich kein Jahr alt. Ich hatte nicht mal die Chance irgendjemanden meiner Familie kennenzulernen." 

Einen Moment huscht der tiefe Schatten von Trauer über sein Gesicht, während er davon erzählt.

„Tut mir leid!", rufe ich mitleidig.

Kurz darauf fängt er sich wieder.

„Ich kenne niemanden und wüsste nicht, um wen ich groß trauern kann. Das ist das einzige Gute daran."

Er zuckt unberührt davon mit den Schultern, um dann in einem schnellen Schritt einen Weg Richtung der Zellen einzuschlagen.

In der gleichen Hektik, wie auch sein Gedankengang umgeschwungen ist.

Ich und Nora müssen ihm regelrecht nachhetzen, um Schritt zu halten.

„Du stammst von der gleichen Rasse ab wie Kaia?", frage ich verwundert. Mir wird plötzlich klar, wann er mir schon einmal begegnet ist. Als Kaia mit Moriphos kämpfte. 

Gasard bleibt so unerwartet stehen, dass ich beinah gegen ihn stoße.

Gerade noch so kann ich mich fangen und als ich aufsehe, kann ich seinen fragenden Blick erwidern, dessen Grund ich nicht erkenne.

Da lacht er plötzlich lauthals los.

„Und ich frag mich die ganze Zeit, wieso du so nett zu mir bist."

Als ob das alles erklären würde.

„Das wird dann ja leider vorbei sein!" Ein enttäuscht klingendes Seufzen dringt über seine Lippen. „Ich stamme von der gleichen Rasse ab wie Kaia. Du wirst jetzt garantiert vor Angst nicht mehr mit mir essen wollen, aber das Angebot steht trotzdem noch." Beim letzten Satz zwinkert er mir zu.

Ich und Nora sehen ihn beide verwundert über diese Aktion an. Während Nora sicherlich kaum eine Ahnung davon haben wird, wieso er es sagt, beginne ich in mich hinein zu kichern.

Gasard dagegen, sieht auf mich herab und beinah greifbar kreisen Fragezeichen um ihn herum, die die Frage mit sich tragen, wieso wir nicht wie verschreckt Hühner davonrennen.

Ich bin es, die die Initiative ergreift. 

„Wir stammen von einem Planeten, der das Weltall gerade erst entdeckt hat", erkläre ich, nur um mich im Anschluss zu korrigieren. „Okay, ich stamme nicht von dem Planeten, bin dort nur aufgewachsen." Ich lächele ihn an. „Kaia find ich jedenfalls ganz nett und dir weiter zur Hand gehen würde ich auch gerne. Es ist interessant."

„Du findest Kaia nett‽" Gasard sieht aus wie vom Blitz getroffen. „Du machst hoffentlich einen gewaltigen Scherz, über den ich nun überhaupt nicht lachen kann‽"

„Wieso?", frage ich ihn überrascht. 

„Kaia ist ein hinterlistiges Biest, das jedem das Leben schwer macht außer Torsos!", erklärt er mir. 

„Zu mir war sie ganz nett!", sage ich verwirrt.

„Wir sprechen hoffentlich von der gleichen Person", zweifelte er an meinen Worten. „Von diesem kleinen rothaarigen, vorlauten Ding dass hier immer Streit suchend rumhüpft."

Ich nicke.

„Ich war gestern Zeuge ihres Kampfes am gestrigen Tag", erkläre ich.

Er sieht mich überrascht an.

„Okay, du bist mir nicht aufgefallen." Er seufzt auf. Mit etwas langsameren Schritt geht er jetzt weiter in Richtung der Zellen. „Vielleicht hat Kaia auch eine Seite, die nur niemand kennt."

Nora zieht mich zu sich. Sie hat bisher Abstand zu uns gehalten, jetzt drückt sich ihr Körper an meinen und diesen somit fast an den des Mannes.

„Wie kommt es, dass immer die heißesten Typen um dich herum sind?", flüstert sie mir ins Ohr. Aber eben nicht leise genug.

Ich erröte bei ihrer Frage und blicke sprachlos in den Raum, überlegend, was ich darauf nun antworten kann.

Gasard beginnt wieder zu lachen.

„Ich habe ein gutes Gehör!", sagt er. „Also ich will mich mit der Guten anfreunden, weil sie irgendwann mal die Mutter des Kindes meines besten Freundes wird."

„Das kann der vergessen!", kommt es energisch von mir. 

„Du vergisst, es gibt nicht mehr viele von eurer Art", erinnert er mich. 

„Ja, ja ich weiß." Ein Seufzen dringt aus meiner Kehle.

„Was meint der damit?", fragt mich Nora. 

„Hey Janine!" Gasard lacht auf. Er läuft an Nora vorbei, hinter meinem Rücken um mich herum an meine andere Seite und legt mir seinen Arm um die Schulter. „Ich leide ganz schrecklich mit dir und ich weiß aus eigener Erfahrung, dass er schrecklich nervig sein kann, wenn es darum geht, eine Spezies vor dem Aussterben zu retten. Aber das macht der nur bei der eigenen und der der besten Freunde." Ich sehe ihn fragend an. So ganz verstehe ich nicht, was er meint. Doch er erklärt es mir sofort. „Er versucht mich schon verdammt lange mit Kaia zu verkuppeln. Nur bisher ohne Erfolg."

Vor der Tür stoppt Gasard. Er gibt mir die kurze Anweisung für ihn zu den Wachen zu gehen, um dort etwas abzuholen. Einem Wunsch, dem ich brav Folge leiste.

Die Wachen stehen auf einem hohen Podest, von dem aus sie einen guten Blick über den Raum haben. Hinauf führen ein paar Treppen. Ich steuere die an, die den Zellen und damit der Dusche am nächsten ist. 

Davor stehen zwei Wachen, die mich angetan mustern. 

„Hallöchen Mädel!", begrüßt mich die erste Wache, die zweite dagegen grinst nur dämlich. 

„Ich soll für Gasard etwas abholen", erkläre ich ihnen. 

„Kannst dir auch ein paar nette Sachen bei mir abholen!", wirft mir die zweite Wache mit einem Kuss zu. Angewidert wendete ich mich ab. 

„Geh hoch Mädel, da gibt man dir sein Zeug!", weist mich die erste Wache an. Er gibt seinen Kollegen ein Zeichen.

Ich trete langsam auf die Treppe. Einen der Wachen kenne ich ja leider schon. Mein Herz beginnt voller Angst zu schlagen, bei dem Blick, den er auf mich wirft. 

Er kann mir nichts, versuche ich mich zu beruhigen. Besonders nicht hier vor all den Anderen.

Ich wende meinen Blick von ihm ab. 

Die meisten seiner Kollegen wirken nervös und in Aufbruchstimmung. Aufgeregt wandern die Blicke der Männer auf zwei uhrengleiche Gebilde. Runde Scheiben mit Strichen darauf. Alle beide mit vier Strichen. Während bei der einen Scheibe die vier Striche im gleichen Abstand zueinander liegen, ist es bei der anderen Scheibe etwas anders gemacht. Auf beiden Scheiben befindet sich jeweils ein Zeiger. 

Es fällt mir auch auf, dass auf der einen Scheibe der Zeiger sich einem Strich nähert, auf der anderen, der Strich überschritten wurde. 

Als ich oben ankomme, liegen wieder Blicke auf mir. Langsam wird es mir lästig! Bin ich denn so eine Sensation oder haben die Männer noch nie ein Mädchen gesehen? Daran glaubt man fast, so wie die Typen gaffen.

„Ich soll hier ein paar Sachen für Gasard abholen", erkläre ich hier oben erneut. 

„Nur jemand wie der kann sich so einen Service leisten!", kommt es von einem der Wachen. 

Er wird sofort von einem etwas älteren Mann in Schwarz gerügt. Auf seinen Schultern befinden sich graue Striche. 

Der Mann mustert mich kurz, dann lächelt er. 

Er greift neben sich auf den Boden und gibt mir einen Stapel. Ein paar Klamotten – Schwarz, wie ich sie hier schon sehr oft gesehen habe –, ein Handtuch und ein kleines Döschen. 

„Richte ihm doch bitte aus, dass unser allseits geliebter Herrscher nach ihm verlangt", bittet er mich. 

Ich nicke und will schon gehen, als mein Blick erneut auf die beiden Scheiben fällt. Kurz halte ich überlegend inne. 

Den interessierten Blick, den mir der Herr in Schwarz zuwirft, bemerke ich erst ziemlich spät.

„Ehrlich gesagt würde ich gerne zum Abschied ein auf Nimmerwiedersehen sagen, aber ich glaube, das wird so schnell nicht eintreffen", kommt ein Seufzen von mir. „Deswegen sag ich einfach bis später oder morgen." 

Der Mann in Schwarz wirkt verwirrt und scheint nicht zu verstehen, wie ich das meine. „Wieso das?", kommt es von ihm. „Du wirst aber schon, so bald wie möglich wiederkommen."

„Das schon!" Ich zwinkere dem Mann zu. Dann deute ich mit meinem Blick auf die Uhren. „Nur die Herren sehen mir nicht danach aus, als würden sie noch da sein, wenn ich den Raum betrete." 

Mit einem Lächeln auf den Lippen, laufe ich die Treppen herunter.

„Mutiges und kluges Mädchen!", höre ich den Mann hinter beeindruckt von mir sagen. 

Als ich dann an den Zellen entlanglaufe, fährt mir ein eisiger Schauer über den Rücken. Scharf darauf wieder in eine dieser Zellen eingesperrt zu werden, bin ich nicht gerade. 

Wenn das alles nur ein Albtraum wäre.

Vielleicht sollte ich das Angebot annehmen, geht es mir durch den Kopf. Weg aus dem Gefängnis und nicht mehr in Reichweite von diesem Kyle.

Aber ein Teil von mir hindert mich daran.

Stolz.

Torsos hat mich hier hineingesteckt und ich will nicht betteln, dass er mich wieder herausholt. 

Außerdem …

Nora steht vor der Dusche. Als sie mich erblickt, bildet sich ein Lächeln auf ihren Lippen. 

Auch wenn es angenehm ist, mit ihr ohne Streit zu reden, wünsche ich mir, dass alles wieder so sein kann wie früher. Dass wir beide wieder auf der Erde sind.

Sie steht wie gewöhnlich unter meinem Fenster, um die Abgeschiedenheit für heimliche Zärtlichkeiten und Küsse mit ihrem Freund zu nutzen. So wie sie es auch schon vor Andy getan hat. Ich beobachte die beiden heimlich von meinem Zimmer aus. Statt mich für sie zu freuen, werde ich kreativ darin, dieses Zusammensein zu stören.

Alles wäre normal. Ganz anders als jetzt.

Ich bleibe vor der Dusche stehen.

„Gasard!", rufe ich hinein. 

„Komm rein!", lautet seine Antwort, der ich ohne einen Moment des Zögerns folge.

Gasard steht unter dem kalten Regen. Mit seinen Händen stützt er sich an der Wand ab. Bekleidet ist er nur noch mit der Hose, die er auch im Arbeitsraum getragen hat. Hier erkenne ich auch deutlich, zu welcher Rasse er gehört. Sein Haar leuchtet unter diesem Licht in einem extremen Rot auf. Die Augen hält er geschlossen, während sein Gesicht offenbart, wie er das kühle Nass genießt.

Es ist verständlich. Im Arbeitsraum hat er an Maschinen gearbeitet, die alles in der näheren Umgebung stark erwärmen. Selbst ich bin unter meinen Sachen verschwitzt.

Aber noch etwas fällt mir hier auf, das ich im orangenen Licht des Arbeitsraums nicht bemerkt habe. Auf seinem nackten Oberkörper sind ein paar Wunden. Einige davon wirken fast schon verheilt, zwei sind aber frisch. Dazu kommen einige Narben.

„Sieht wohl sehr schlimm aus!", kommt es plötzlich von Gasard. Auf seinen Lippen liegt ein nettes Lächeln, seine roten Augen sehen mich freundlich an. 

Nickend lege ich seine Sachen auf einen trockenen Fleck in der Dusche.

„Das hat es halt so an sich, wenn man der beste Freund des verhassten Imperators ist und zum anderen noch von einer Rasse stammt, die verabscheut wird." Bei seiner Erklärung nimmt sein Blick eine schwere Traurigkeit an. Er tut mir leid. „Aber was soll's!"

Gasard stößt sich von der Wand ab und kommt auf mich zu.

„Normalerweise hat jemand wie ich, nichts in einem Gefängnis wie der Todeszone zu suchen. Da lebt man halt gefährlich!"

Mit meinem Blick mustere ich ihn.

Erneut geistert mir die Frage durch den Kopf, wieso Kaia an seiner Figur gemeckert hat. Was ich sehe, kann man nur mit einem Wow beschreiben. 

Sein Körper ist durchtrainiert, aber nicht übertrieben muskulös, sondern einfach nur schön. Im Geheimen drängt sich wohl bei vielen Frauen, die ihm begegnen, der Wunsch auf, dass er sie in seine muskulösen Arme nimmt. 

Ich hoffe nicht, dass er seine Kraft nutzt, um meine Gedanken zu lesen. Doch ich erinnere mich, dass Kaia am vergangenen Tag etwas in der Richtung gesagt hat, er nutzt seine Kräfte nicht.

„Janine, Liebes", weckt Gasard mich aus meinem Tagtraum. Gasard lacht mich an, als er weiterspricht. „Dreh dich bitte um, und lauf ein paar Schritte vorwärts, bis du im Dunkeln stehst. Ich bin schüchtern, was das Ausziehen, vor mir noch nicht allzu bekannten Frauen oder in deinem Fall eher Mädchen betrifft." 

Schüchtern, aber direkt. 

Mit hochrotem Gesicht verlasse ich die Dusche. 

Bevor Nora etwas sagen kann, tue ich es: „Das ist mal ein toller Typ!" Ich lehne mich seufzend an die Wand neben ihr. 

Nora sieht mich neugierig an „Wie kommt es, dass du immer von solchen Kerlen umgeben bist?"

Ich kann nur mit den Schultern zucken. Obwohl … So viele gutaussehende Männer, wie hier herumlaufen … Wen wundert es da?

„Und was meinte er vorhin?", lautet Noras nächste Frage.

Ich ahne, was sie meint. Aber was kann ich ihr antworten? Das der Mann, dem hier alles untersteht, die dämliche Idee hat, mit mir irgendwann ein Kind zu zeugen? Stattdessen sage ich: „Sein bester Freund hat sich da so was in den Kopf gesetzt. Dabei kenne ich ihn gar nicht." Ich stöhnte laut auf, mein Blick wandert zum Boden. 

Was der sich dabei denkt und ob es stimmt, was er gesagt hat?, frage ich mich. 

Bei dem Gedanken an Torsos fällt mir ein, dass ich ja Gasard noch etwas ausrichten soll.

Ich stoße mich von der Wand ab und trete an die Tür.

„Gasard", rufe ich in den Raum.

„Komm ruhig wieder rein!", wird mir von drinnen zu gerufen. Sofort folge ich der Aufforderung. 

Er hat zwar seine Kleidung gewechselt, aber nicht viel mehr an, als im Arbeitsraum. Auf einem trockenen Platzt neben ihm, liegen die Sachen, die er im Arbeitsraum anhatte und die saubere Jacke. In der Dose ist eine Salbe, die er auf seinen Wunden verteilt. 

„Ich soll dir ausrichten, dass Torsos dich sprechen will", folge ich der Bitte des Mannes von vorhin.

Gasard lacht über die Worte laut auf.

„So wie ich den Kerl kenne, hat der irgendwas kaputtgemacht und ich darf es reparieren."

Er schließt die Dose und wendet sich an mich. „Willst du auch duschen?" Etwas, dass ich sofort mit einem Nicken beantworte. Eine kalte Dusche könnte ich mir gut vorstellen.

„Ich darf mir in der Zeit sicher etwas von dir ausborgen?" Auch wenn ich nicht verstehe, was er meint, nicke ich erneut. 

Gasard kommt auf mich zu, nimmt meinen Arm in seine Hände und streift dann den Ärmel des Hemdes hoch, damit der Armreif nicht mehr vom Stoff verdeckt wird. Was jetzt folgt, dem kann ich nur mit einem verwirrten Blick folgen.

Seine Finger wandern über den Armreif. Dabei drückt er auf ein paar der Steine. Nach dem letzten Stein öffnet sich der Armreif und fällt in seine Hände. 

Gemerkt habe ich es allerdings nicht, dafür ging es viel zu schnell. Während Gasard seine Sachen nimmt und dann die Dusche verlässt, sehe ich ihm noch nach.

 ***

Als ich die Dusche später erfrischt verlasse, steht Gasard an die Wand gelehnt. In seinen Händen hält er meinen goldenen Armreif, den er zu studieren scheint. Er wirkt dabei sogar so abwesend, dass er mich noch nicht einmal bemerkt. Selbst Nora wird erst auf mich aufmerksam, nachdem ich etwas sage, mehr aber, weil sie den Rothaarigen voller Interesse mustert.

„Ist das Ding so interessant?", will ich von ihm wissen. Ein Lächeln liegt auf meinen Lippen, dass er nach Anheben seines Kopfes erwidert.

„Ich erklär dir nachher etwas zu dem Armreif." Am Ende dieses Satzes stößt er sich von der Wand ab und ruft zum Aufbruch.

Die Kantine ist leer, als wir sie betreten. 

Es ist erstaunlich, wie sauber alles wirkt, und das, wo die Gefangenen meist alles wie auf einem Schlachtfeld verlassen. Ob das eine von Tosas und Akaras Aufgaben ist? Irgendwie kann ich mir nicht vorstellen, dass beide Frauen in solch kurzer Zeit alles reinigen können.

Gasard läuft direkt zu einem der Tische, um sich dort hin zu setzten. Ich und Nora folgen seinem Beispiel. 

„Wer von euch beiden hat Lust auf eine Bedienung?", erkundigt er sich bei uns beiden. Seine Augen heben sich nicht von dem Armreif, den er in seinen Händen hält. Auf seinen Lippen liegt ein schelmisches Grinsen. 

Eine gewisse Vorfreude lässt sich an ihm erkennen.

Wir können uns nichts darunter vorstellen, daher kommt von uns: „Nichts dagegen!" 

Wie zuvor fliegen seine Finger über die Steine des Armbandes. Nachdem Gasard fertig ist, schaut er zur Tür. In einem Grinsen dehnen sich seine Mundwinkel bis fast zu den Ohren.

Neugierig folge ich seinem Blick und verstehe erst, als sich wenig später die Tür zur Kantine öffnet und ein dunkelhaariger Mann eintritt, der mir heute schon ab und an begegnet ist.

Während ich mich grimmig abwende, wirkt Nora hellauf begeistert und winkt einem Mann zu, dessen wütende Miene so gleich verschwindet, als er auf Gasard neben mir blickt.

Der Rothaarige schwingt über sich den Armreif hin und her.

„Muss dass denn sein?", ruft er uns zu.

Wie das erste Mal, dass ich ihn heute gesehen habe, wirkt sein Haar zerzaust und als sei er gerade aus dem Bett gefallen. Mit kurzen Fingergriffen, bringt er es ein wenig in Form, während er sich uns nähert.

Als Platz sucht er sich eine kleine Lücke zwischen mir und dem Rothaarigen aus. Dabei interessiert es ihn nicht dass er uns beide sogar weg drücken muss, um da rein zu passen.

Ekel!, finde ich mich in meiner Abneigung zu ihm bestärkt.

„Dabei habe ich gerade so schön geschlafen!", ruft er in einem lauten Gähnen aus. Sein Kopf wandert in der Schwere seiner Müdigkeit auf die Tischplatte. 

„Das du geschlafen hast, ist mir klar!"

„Und wieso musst du mich dann wecken?", fragt die Wache in einem Gähnen.

Das Grinsen in Gasards Gesicht ist nicht gewichen. Er tippt den Mann neben sich mit dem Armreif an.

„Was ist?", mault dieser, ohne seinen Kopf von der Tischplatte zu heben.

„Hunger!"

Die Wache hebt seinen Kopf gerade so weit an, dass er diesen so neigen kann, um Gasard verwirrt anzuschauen. Nachdem dieser jedoch nichts sagt, kommt nur eine schroffe Aufforderung von der Wache.

„Hol dir doch was!"

So hat sich der andere das ganz sicher nicht vorgestellt.

Daher zupft er dem anderen an der Uniform, die diesen als ihm unterstellt ausweist.

„Du gehst jetzt da rüber und holst mir was zu essen!" Das Grinsen weicht dabei nicht aus seinem Gesicht.

Die Wache macht sich noch nicht einmal die Mühe seinen Kopf zu heben. Er rollt sein Gesicht auf dem Tisch von einer Seite zur anderen, um mich anzusehen.

„Mädchen, mach mal brav, was der Herr da drüben sagt!", ordnet der Schwarzhaarige mir an, bevor sein Gesicht gähnend so rollt, dass er nur die helle Tischplatte vor Augen hat. 

Das Grinsen aus Gasards Gesicht verschwindet. Er wirkt jetzt eher ungeduldig darüber, dass der Andere seiner Anweisung nicht nachkommt. 

„Du sollst aber gehen und mir was holen", ruft er nun mit einer deutlicheren Anweisung.

Zuerst reckt sich die Wache und stößt dann ein lautes Gähnen aus.

„Ich tu ja schon, wie mir befohlen wird!", mault er rum. Mit einem Schnauben steht er auf und geht zur Essensausgabe. „Dafür kannst du dich aber auf Rache gefasst machen."

Es ist wie beim letzten Mal. Als Akara den Schwarzhaarigen sieht, begrüßt sie ihn mit einer stürmischen Umarmung. Erst nachdem eine ganze Weile vergangen ist, kommt er dazu um Essen zu bitten.

Sein Lächeln wirkt strahlend, als er mit zwei Schälchen zu uns gelaufen kommt. 

Das eine wirft der Schwarzhaarige Gasard vor, mit dem anderen setzt er sich an den Tisch. Doch er kommt nicht mal dazu, den Löffel zu nehmen. Vorher wird ihm alles von dem Rothaarigen abgenommen.

„Die Mädchen haben sicher auch Hunger", mit diesen Worten stellt er beide Schälchen vor mich und Nora. 

Seufzend steht die Wache auf und trottet wieder zur Essensausgabe. Zurück kommt er diesmal mit einem Teller voller Fruchtscheiben und einem weiteren Schälchen.

Die Früchte stellt er vor Gasard, mit dem Schälchen setzt er sich wieder an den Tisch. „Ich bin und bleibe halt Akaras Liebling." Dabei lacht er laut auf. Voller Genuss isst er den Brei, Gasard dagegen schüttelt den Kopf und wendet sich den Früchten zu.

Erneut grübele ich, ob es vielleicht doch möglich wäre, das er in Wirklichkeit Torsos ist. Die Extraportion von Akara würde jedenfalls dafürsprechen.

„Wie denkst du mittlerweile über das Angebot?", fragt er mich, als er mitbekommt, wie ich ihn mustere.

„Kein Interesse!", lautet meine Antwort. Ich wende den Blick von ihm ab und widme mich meinem Essen. Es schmeckt anders als sonst, dennoch genauso lecker.

„Okay!", kommt es lachend von ihm. „Ich richte es der Dame aus, dass du einfach nicht bei ihr einziehen willst!"

Ich verkneife mir eine Antwort. Es ist deutlich genug, dass er versucht zu verhindern, dass ich von ihr eine Zeit lang aufgenommen werde. Allerdings will ich es auch nicht mit einem Ja versuchen. Ich kann mir vorstellen, dass er darauf wartet, um mich in eine Falle zu locken. 

„Dame?", kommt es von Gasard. Verwundert hebt er die Augenbrauen.

„Kaia meint, die Kleine könnte bei ihr einziehen", antwortet die Wache. 

„Mir wurde schon berichtet, das Kaia eine nette Seite haben soll." Er schüttelt den Kopf. „Ich kenne dieses Weib seit meiner Geburt, aber das die so etwas ernst meint, will ich einfach nicht glauben."

Die Wache wendet sich wieder mir zu.

„Und was ist mit dem zweiten Angebot?", erkundigte er sich und schaut mich grinsend an. 

Eingeschnappt widme ich ihm keines Blickes mehr. Er gibt mir doch eh keine Chance richtig zu wählen.

„Gleiche Antwort wie vorhin!", sage ich nur.

Gasard lacht laut auf.

„Das erzähl ich Kaia!"

„Wag es dir!", kommt es von der Wache. Panik stiehlt sich in seinen Blick. Beide beruhigen sich wieder. Die Wache nimmt sich ein paar von den Früchtescheiben und steht dann auf. 

„Da ich hier sicher nicht mehr gebraucht werde, kann ich ja zurück in mein Bett." Mit diesen Worten will der Schwarzhaarige die Kantine verlassen, doch bevor er es kann, tritt eine andere Wache in den Weg.

Dieser Widerling, mit dem ich und Nora so eine unangenehme Begegnung in der Dusche hatten. Kyle, wie Tosa ihn genannt hat. 

Der Blick des Jüngeren wandert verwundert durch den Raum. 

Er schaut erst mich und Nora an, dann Gasard. Der Blick, der auf dem Rothaarigen liegt, wirkt voller Verachtung.

Noras Augen weiten sich vor Angst, als sie ihn erblickt. Sogar ich rutsche automatisch zu Gasard, nur um weiter von dem Typen weg zu sein. 

Plötzlich durchdringt ein Schrei die Stille.

„Gasard!", halt ein Schrei von der Schwarzhaarigen Wache durch den Raum. „Sag mal spinnst du!"

Seine Hand hält er auf ein seines Ohres und krümmt sich, ohne dass wir überhaupt den Grund dafür erahnen.

Mit gequältem Gesichtsausdruck, aus dem Wut spricht, schaut er zu Gasard.

Doch der hält an seinem darüber amüsierten Ausdruck fest und die Gedanken des Schwarzhaarigen zu bejahen scheint: „Macht es dir heute so einen Spaß, mich zu quälen?"

Der Rothaarige lacht auf und wendet sich erst an mich, nachdem er sich beruhigt hat.

„Das ist die wirkungsvollste Möglichkeit, ihn auf dich aufmerksam zu machen, sollte es nötig sein."

Ich verstehe das ganz und gar nicht. Genauso wenig, wieso die Wache so vor Schmerz aufgeschrien hat. Dennoch lausche ich interessiert seinen Worten.

„Das brauchst du ihr nicht zu erzählen!", meint die Wache und massiert sich dabei das Ohr.

Sein Schälchen schiebt er fort und legt den Kopf wie zu vor auf die Tischplatte.

„Das hat sie ganz alleine herausgefunden!"

Ich vermute, er meint die Sache, wegen der er mich gewarnt hat, den Armreif anzufassen.

Ein Gähnen kommt von der Wache.

„Muss das denn sein? Das mit dem Schlafen kann ich erst mal vergessen." Er stopft sich ein paar der Fruchtscheiben in den Mund. „Wart's ab! Für all das heute, denk ich mir noch was Nettes zur Rache aus."

Man muss schon genau hinhören, um ihn mit dem gefüllten Mund verstehen können.

Sein Kamerad schaut dem Allen stumm zu. Sein Blick fällt dabei hin und wieder eher feindselig auf den Schwarzhaarigen. Es ist mir klar, dass diese Feindseligkeit hauptsächlich wegen unserer Rettung kommt.

„Wachen sollten eigentlich bei ihrer Arbeit sein", ruft Gasard, dessen Blick mehr auf den Jüngeren liegt, als dem anderen. Trotzdem klopft er diesem fest auf den Rücken.

Ein heftiger Schlag, bei dem sich der junge Mann verschluckt.

„Spinnst du?", bricht es hustend aus ihm heraus. 

Die jüngere Wache verlässt den Raum, während sich der andere kurz erholen kann. Wenn auch nicht lange.

„Außerdem hab ich Hunger! Gönn mir wenigstens das Essen!" Die Wache wischt sich mit dem Ärmel über den klebrigen Mund.

„Los jetzt!", ordnet Gasard an. Sein Lächeln wirkt nicht streng, sondern freundschaftlich. „Verschwinde, oder ich stell das Ding auf Alarm!" Dabei hält er den Armreif hoch. 

„Bin schon weg!" Der Schwarzhaarige nimmt sich noch ein paar der Früchte, dann verlässt er eilig den Raum. 

Gasard beginnt lauthals loszulachen. Als er sich wieder beruhigt hat, wandert sein Blick zu Nora. „Gehst du bitte auch."

Sie nickt und folgt seiner Aufforderung. 

Mein Blick dagegen wandert neugierig zu dem Mann. Was er jetzt vorhat, frage ich mich.

Er hält mir den Armreif vor die Augen. Nach einer Weile fahren seine Finger langsam über die Steine. Ich versuche, mir die Reihenfolge zu merken.

„Wenn du diese Steine drückst, dann bekommt der Kerl ein Signal", erklärt er mir. „Aber nur, wenn du wirklich Hilfe brauchst. Das Signal ist ziemlich laut."

Ich kann mir vorstellen, dass es die Steine sind, die er vorhin gedrückt hat. Dennoch sehe ich ihn verwirrt an. Wie das alles funktionieren mag?

„Der Armreif hat einige Funktionen", beginnt er zu erklären. „Er ist hauptsächlich zur gegenseitigen Kommunikation gedacht." Gasard macht eine kurze Pause. „Wenn ich dir alles erklären müsste, würde es Wochen oder Monate dauern. Darüber ist es nicht gerade mein einfachstes Gerät. Selbst ich müsste noch einmal meine Notizen durchgehen, um herauszufinden, wie alles funktioniert."

„Wie meinst du das mit der gegenseitigen Kommunikation?", erkundige ich mich neugierig. „Nur wenn ich fragen darf."

Gasard nickt. Dann beginnt er zu erklären. 

„Von dem Armreif gibt es genau zwei Stück. Mit ihnen kann man untereinander kommunizieren. Als ich die Dinger angefertigt habe, war mir langweilig. Mit den Armreifen kann man zusätzlich die nähere Umgebung abhören, was ihn für Spionagezwecke sehr nützlich macht. Derjenige, zu dem dieses Signal geleitet wird, kann bestimmen, ob seine Umgebung etwas mitbekommt, oder nicht."

Interessiert lausche ich seiner Erklärung. 

„Hier unten nutzen wir sie nur zu Spionagezwecken. Mit ein Grund, weswegen ich diese Idee für irre halte." Er schüttelt seufzend den Kopf. „Torsos meinte, dass es so vielleicht besser ist, dich zu beschützen, weil nicht immer jemand in deiner direkten Nähe sein kann."

Einmal wurde mir ja gezeigt, dass der Armreif seinen Sinn hat. Ich will nicht daran denken, was Kyle hätte mit uns anstellen können, wenn diese Wache nicht aufgetaucht wäre.

Allerdings ist es auch so kein schöner Gedanke, dass einer der anderen Gefangenen den Armreif entdecken könnte. Ich sträube mich dagegen, an so etwas zu denken.

Ob Moriphos mich weiter beschützen würde, wüsste er davon?

„Sei beruhigt", zwinkert er mir zu. „Seitdem du den Armreif trägst, kam der Gute schon siebenmal auf mich zu, weil er irgendetwas verstellt hat."

Ich stelle mir die Frage, ob ich mich wirklich darüber freuen soll. Immerhin könnte irgendwann noch einmal mein Leben davon abhängig sein und da sollte er ihn bedienen können, oder ich.

„Empfangen kann man die Geräusche auf mehrere Wege, einer davon ist ein Empfänger im Ohr."

Jetzt beginne ich langsam zu verstehen, wieso die Wache vorhin so aufgeschrien hat.

Innerlich kämpfe ich mit dem Gefühl des Bedauerns der Wache und der Schadenfreude. Nach hin und her entscheide ich mich eher für letztes.

Geschieht ihm recht, so wie er mit mir umspringt!

„Durch diesen Empfänger kann die betreffende Person alles verstehen, Anwesende bekommen davon nichts mit."

Das wurde mir vorhin demonstriert und klingt irgendwie interessant.

„Dann gibt es noch einen im Armreif eingebauten Lautsprecher." Gasard hält den Armreif hoch und betätigt die Steine in einer Reihenfolge, die zu schnell ist, sie zu merken. 

„Hey, hey Moment mal!", ertönt plötzlich eine mir wohlbekannte Stimme im Raum von dem Reif aus. Die Stimme dieses Wachmannes, der mir in der Dusche half.

„Es reicht mir langsam!", ertönt eine zweite Stimme, die ich an diesem Tag auch schon einmal gehört habe. Dieser Mann in Schwarz bei den Wachen. Seine Stimme ist erfüllt vom Zorn. 

Neugierig frage ich mich, was da los ist. 

„Ich muss hier für Ordnung sorgen, da kann nicht einer plötzlich auftauchen, der sich an keine einzige Regel hält", fährt er den Anderen an. 

„Der gute Marto ist ein alter Sturkopf", sagt Gasard in einem Auflachen. „Selbst unser allseits geliebter Herrscher zieht den Kürzeren, wenn der sich mit ihm streitet. Was nicht sehr selten vorkommt."

Ich sehe Gasard unglaubend an. Dass sich so jemand von einem Untergebenen was sagen lässt, hätte ich nicht gedacht, macht ihn aber noch interessanter.

„Meistens sind es eh Streitsachen, wo Torsos im Recht sein will, aber nicht ist", erklärt er grinsend.

„Ich bin normalerweise keine Wache." Die Wache klingt schmollend.

„Weißt du, wie egal mir das ist?", schreit Marto. „Solange du diese Uniform trägst, unterstehst du meinen Befehlen!"

„Okay Alterchen!" Die Wache stöhnt auf und wirkt genervt von dem Treiben. „Ich gebe mich geschlagen."

Gasard drückt wieder ein paar Steine, dann verstummt das Gespräch. 

„Es gibt zwar noch einige Funktionen, aber das alles zu erklären würde sehr lange dauern." Er öffnet den Armreif wieder und macht ihn mir um.

„Wieso erzählst du mir das alles?", frage ich ihn neugierig. 

„Zum einen, damit du weißt wie wichtig es ist den Armreif versteckt zu halten", erklärt er mir. Aber das hat mir ja schon Kaia deutlich gemacht. „Zum anderen, damit du weißt, was die Möglichkeiten sind, um Hilfe zu rufen. Und zum Schluss, weil ich Torsos ganz genau kenne." Gasard seufzt auf. „Du hast dich mit diesem Zeitstürmer angefreundet. Mein liebster Freund hat sicherlich schon die Idee gehabt dich hier etwas länger zu behalten, in der Hoffnung, dem Kerl rutscht irgendetwas heraus."

Ich nicke. 

Selbst mir ist klar, dass für ihn die Chance auf wichtige Informationen mehr wert wäre, als mein Leben. 

„Hast du noch Fragen?"

Ich will schon meinen Kopf schütteln, um ihm zu zeigen, dass keine Fragen bleiben, da fällt mir etwas anderes ein. Etwas, dass mir einfach keine Ruhe lässt. Seit ich hier bin, stelle ich mir schon eine bestimmte Frage.

Ich senke meinen Kopf und wage es etwas zu sagen. 

„Meine Mutter wurde von Torsos nach Tormahs geschickt."

Gasard schüttelt den Kopf.

„Ich kann dir nicht sagen, ob es ihr gut oder schlecht geht, das kann nur Torsos", erklärt er mir. „Aber so wütend, wie er war, als er dich hergebracht hat, hoffe nicht darauf, dass es ihr dort gut geht."

Es ist mir ja schon klar, dennoch schmerzt mich der Gedanke daran, was dort mit ihr passiert so sehr, dass mir Tränen in die Augen steigen.

Gasards Hand fährt über mein Haar.

„Ich rede mit ihm", verspricht er. „Er ist eigentlich ganz nett."

Ich nicke, dann verdränge ich die in mir aufsteigenden Tränen. Als ich wieder zu Gasard blicke, liegt auf seinem Gesicht ein Grinsen, das mich zuerst verwirrt.

„Ich weiß auch schon was."

Gasard steht auf. Ich folge ihm.

Als wir aus der Kantine treten und uns aufgeregt eine der Wache empfängt, tut er auf unwissend. 

„Hey, mein allerliebster Freund." Das Lächeln der Wache wirkt strahlend, als er auf Gasard zugeeilt kommt. Seine Umarmung ist stürmisch, mit der er den Anderen begrüßt. „Irgendwie sitze ich hier unten fest. Und da dachte ich, du hilfst mir."

Gespannt auf die Reaktion, sieht die Wache den Rothaarigen an.

Doch dieser schaut zuerst auf Marto. Der ältere Mann legt seine Arme auf das Geländer und darauf seinen Kopf. Mit einem flehenden Gesichtsausdruck sieht er zu den beiden Männern herunter. 

„Außerdem …" Jetzt hat die Wache wieder Gasards Aufmerksamkeit. „Akara hat erwähnt, dass uns langsam diese leckeren Früchte ausgehen und du weißt ja, wie irre alle darauf sind. Da könnte ich, statt hier herumzuhängen, der ehrenvollen Aufgabe nachgehen neue zu holen. Immerhin ist das einer meiner Jobs!"

„Du siehst echt so aus, als würdest du von uns dazu gezwungen werden." Gasard lacht laut auf. Sein Blick wandert zu Marto hinauf. „Aber recht hat er nun mal."

„Ich hab extra, nur damit ich den Kerl mal hier behalten kann, mit meinem Kollegen getauscht, und jetzt musst ausgerechnet du mir den Spaß verderben", kommt es mit einem Seufzen von dem Alten. 

Ich schaue amüsiert dem Treiben zu. 

Marto fährt sich seufzend durchs Haar. Gasard schaut wieder zu der Wache, die sich von seinem Hals gelöst hat, ihn aber immer noch mit einem strahlenden Gesichtsausdruck ansieht.

„Aber nicht ohne Gegenleistung!" Gasard grinst die Wache an.

„Wie jetzt? Gegenleistung?" Die Wache schaut Gasard genauso verwirrt an, wie ich. Nur dass ich eine Vermutung habe, was er meint. Diese Vermutung lässt auch eine Angst in mir hochkriechen, zur Freude, die ich darüber eigentlich fühlen sollte.

„Du nimmst Janine mit", kommt er zu seiner Forderung.

„Vergiss es!", protestiert die Wache energisch. „Die Kleine nehme ich ganz sicher nicht mit!"

„Und was hast du für eine Alternative?" Er wirkt wütend über die Weigerung. „Wenn ich es nicht befehle, freut sich höchstens Marto und du spielst hier brav weiter die Wache."

„Du meinst nicht, dass da noch jemand etwas zu sagen hätte?", kommt es von dem Schwarzhaarigen, dabei verschränkt er seine Arme.

Gasard packt den Anderen an einem seiner Arme und zieht ihn näher zu sich.

„Sie will doch nur wissen, wie es ihrer Mutter geht", sagt er ruhig und leise. „Selbst er ist nicht so herzlos, das zu verbieten."

„Und was ist, wenn du dich da irrst?", schnaubt die Wache. Die beiden Männer tauschen einen kurzen Blick aus, den ich nicht deuten kann, bis der Schwarzhaarige letztendlich auf mich schaut. „Ich bin leider gezwungen dich mitzunehmen, also komm!"

Nach Beenden dieses Satzes geht er in Richtung des Ausgangs. Ich folge ihm, glücklich, aber dennoch ängstlich, was mich dort erwarten wird.

Aber auch mit der Überlegung, vielleicht finde ich ja etwas mehr über diesen Typen heraus.

Ich hoffe es jedenfalls.

 ***

Der Fahrstuhl, mit dem mich Kaia vor wenigen Tagen heruntergebracht hat, nehmen wir heute auf dem entgegengesetzten Weg. Ob es nur diesen einen Zugang zum Gefängnis gibt? Obwohl ich im Hangar schon einige Stege und Wege gesehen habe, die für meine Augen zur Wand hinführten, ohne Anzeichen eines Durchgangs.

Außerdem sind oben bei den Wachen ebenfalls mehrere Türen, die auf eine andere Ebene führen.

In der Ruhe hier finde ich den perfekten Ort, um ihn auszufragen. 

„Wie heißt du?", lautet meine erste Frage. Doch bei seinen Worten schaut er mich nicht mal an. 

„Meine Antwort bleibt so lange die gleiche, bis du zu einem Angebot ‚Ja!' sagst!" In seiner Stimme schwingt ein ungeduldiger Ton mit, dass mehr als eindeutig wird, wie Leid es ihm ist, dauernd danach zu fragen. Seiner Meinung nach sollte ich endlich zustimmen.

Das tu ich auch, nur nicht so, wie er es sich vorstellt.

„Also das Angebot von Kaia würde ich gerne annehmen", rufe ich mit einem Lächeln süß wie Zucker. 

„Dieses Angebot meine ich nicht." Er schüttelt seufzend den Kopf. 

„Ich kenne diesen Typen doch nicht mal, wie soll ich da mit einem ‚Ja!' antworten?", verlange ich von ihm zu erfahren. Jetzt habe ich seine volle Aufmerksamkeit.

Seinen verwirrten Blick kann ich erwidern, während er in mir etwas zu suchen scheint, dessen Grund ich jetzt nicht erreichen kann.

Der Fahrstuhl hält und gibt den Weg in einen langen Gang frei.

„Glaub mir, er ist echt nett!", ruft die Wache, während er den Fahrstuhl rechts in den Gang verlässt. Ich folge ihm. „Du würdest ihn sicher mögen."

„Vielleicht ist er ja auch so ein Idiot wie du!" Ich strecke ihm die Zunge raus. Seine Reaktion darauf ist ein Kopfschütteln und Schweigen.

Dieser Gang zieht sich so weit wie mein Blick. An den Seiten mache ich nur metallene Wände aus, glatt und ohne jegliche Unebenheit, die darauf hinweisen würde, dass Boden, Wände und Decke aus mehreren Platten bestehen.

Wie auch immer die Station geschaffen wurde, sie ist ein Meisterstück der Technik.

Dazu kommt, dass es in diesem Gang verdammt hell ist. Nicht heller als normal, aber ich bin mittlerweile das Licht in der Todeszone gewöhnt, und dieses helle Licht schmerzt meine Augen vor Anstrengung. 

Nicht nur dies alles lässt den Bereich der Station kalt wirken. Auch ist es hier total verlassen. Niemand kommt uns entgegen, ganz anders als der Trubel im Gefängnis, wo sich die Gefangenen manchmal regelrecht auf die Füße treten. 

Und im gleichen Moment, wie ich das denke, werde ich schon überrascht, als sich plötzlich das Metall mit Glas abwechselt.

Meine Schritte stoppen. Staunend trete ich näher an diese Wand aus Glas, die ein einfach atemberaubendes Bild bietet. Ein gigantisches Sternenmeer breitet sich vor mir aus und ein riesiger sandfarbener Planet liegt zu meiner Rechten. So gigantisch, dass er nicht einmal ganz von dem gläsernen Gang offenbart wird.

„Wow!", dringt es voller Staunen über meine Lippen.

Ich schätze, dieser Glasabschnitt besitzt eine Länge von zehn Metern. Neben dem Blick auf dieses Sternenmeer gibt er mir auch einen geringen Eindruck auf die Station. Ein metallener Koloss, der sich hoch hinauf hebt. Unter meinen Füßen findet sich ein Abgrund.

Wie gut, dass ich keine Höhenangst habe. Für mich ist es einfach fantastisch.

Die Wache tritt hinter mich, seine Hand legt sich auf meine Schulter. Vom Glas aus wird mir jetzt das Spiegelbild eines gut aussehenden Mannes entgegen geworfen, auf dessen Lippen ein Lächeln liegt. Sein schwarzes Haar wird auf der Spiegelung eins mit dem All. 

„Es scheint dir hier zu gefallen", kommt es von ihm. Mit seinem Blick deutet er auf den riesigen Planeten. „Dieser Planet heißt Dasura", erklärt er mir. „Der größte Schatz, den unser Herrscher besitzt."

Mein Blick liegt weiter staunend auf dem riesigen Planeten. Ein paar grüne und blaue Flecken sind darauf zu erkennen, aber am meisten dominiert eine sandige Farbe. 

Seinen amüsiert wirkenden Blick, der auf mir liegt, bemerke ich kaum.

„Von Torsos und Gasard geliebt, von jedem anderen gehasst." Er beginnt lauthals zu lachen, worauf ich ihn neugierig ansehe.

„Einmal im Jahr dürfen alle Steine schleppen", erklärt er mir. Die Neugier weicht nicht aus meinem Blick. Ich frage mich, was er damit wohl meinen könnte. „Du siehst in ein paar Wochen, was ich meine. An ein paar Tagen ist die Station dann mal vollkommen verlassen."

Sein Finger deutet auf eine Stelle im Weltall. 

„In der Richtung liegt Tormahs", erklärt er mir. Ich erkenne dort nur einige Sterne mehr nicht.

Die Wache ruft zum Aufbruch und ich folge ihm. Aber vorher bemerke ich noch, dass die Wände der Station viel zu dick sind, für einfache Gänge. Es irritiert nur gering.

Der nächste lange Gang folgt, in dem ich glatte Wände sehe. 

An einer Stelle bleibt die Wache stehen. Seine Hand legt er auf das Metall. Plötzlich verschwindet ein Teil davon und eine Tür ins Innere eines Zimmers erscheint. 

Mir bleibt noch nicht mal Zeit, das alles zu betrachten und zu verstehen, als meine Hand grob gepackt wird. Ich bemerke ein Grinsen auf seinem Gesicht, während er mich mit sich ins Zimmer zieht. 

Sofort, als wir den Raum betreten, wird er von einigen Lichtern erhellt. Jetzt erkenne ich auch das Innere des Zimmers und was ich sehe überrascht mich noch mehr.

Es scheint, als wäre das Zimmer fast leer, nur ein Bett steht darin, zu dem ich gebracht werde. Ich habe nicht mal die Zeit, um mir klar zu werden, was hier passiert.

Mit einem Ruck schmeißt er mich darauf. Mein Blick liegt fragend auf ihm, mein Herz beginnt vor Aufregung zu schlagen, als eine leichte Panik in mir aufsteigt.

Er hat mir in der Dusche geholfen, da wird er doch nicht …

Die Wache lässt sich neben mir aufs Bett fallen, dabei stöhnt er auf. Sein Blick wirkt genießend. 

Neugierig mustere ich ihn und frage mich, was der Sinn dieser Aktion ist. 

„Und? Was sagst du?" Zwei schöne braune Augen sehen mich freundlich an und lassen die Angst in mir abklingen. „So ein schönes weiches Bett ist doch angenehm. Du brauchst nur das Angebot annehmen, dann kannst du die Nächte in so einem Bett verbringen."

„Wie gesagt, das von Kaia nehme ich gerne an", antworte ich ihm lächelnd.

Doch erneut schüttelt er den Kopf.

Ein Seufzen dringt aus meiner Kehle, dann lasse ich meinen Blick durch den leeren Raum wandern. Eigentlich habe ich mehr erwartet, dass sage ich ihm auch. 

„Hätte mich Gasard vorhin nicht so unsanft geweckt, dann wäre der Raum ganz leer", erklärt er mir lachend.

Eine Antwort, auf die ich ihn nur verwundert ansehe. Unwissend, wie er das meint.

„Ich erklär es dir!", ruft er. Mit einem Ruck steht der Schwarzhaarige vom Bett auf und ordnet mir an, ihm zu folgen. Ich mache, was er von mir verlangt.

Seine Schritte führen ihn an eine der Wände. Als er seine Hand darauflegt, erscheint dort eine Art Bedienfeld. Ein durchsichtig wirkendes Quadrat, mit mehreren kleineren Quadraten darauf, die wohl ihre Funktion haben werden. Aber das Ganze wirkt wie eine Projektion und mehr nicht. 

Neugierig trete ich näher heran. 

Sein Arm umfasst meine Taille. Er zieht mich an sich.

„Du stehst im Weg." Die Wache lächelt mich an. 

Ich erröte, als mein Körper seinen berührt. 

Neugierig wandert mein Blick auf das bunte Bedienfeld. Es scheint wirklich nur eine Projektion zu sein. Nichts, das man anfassen und greifen kann. Dennoch geschieht etwas, als sein Finger eines der Quadrate berührt. 

Das Bett, auf dem wir eben noch lagen, verschwindet im Boden. 

Unfassend sehe ich auf die Stelle, dann in das Schmunzeln, das auf seinen Lippen liegt. Es scheint ihn zu amüsieren, wie staunend ich alles betrachte.

Seine Finger berühren nun ein paar weitere der Tasten. 

Jetzt erscheinen aus dem Boden ein Tisch und zwei Stühle, genau dort, wo ich eben noch gestanden habe.

„Setz dich!", ordnet er mir an und lässt mich los. Mit einem Nicken folge ich seiner Aufforderung.

Die Wache geht ein paar Schritte und legt seine Hand auf einen anderen Teil der Wand. Es öffnet sich ein Fach, in dem Geschirr steht. Zwei Gläser nimmt der Schwarzhaarige heraus. Aus dem nächsten Fach, das sich beim Berühren der Wand öffnet, nimmt er eine Flasche.

Eines der Gläser stellt er vor mich, das andere vor dem mir gegenüber liegendem Stuhl. Zuletzt füllt er beide Gläser mit einem hellen Saft. Die Flasche stellt er wieder zurück in den Schrank. Nach einer erneuten Berührung der Wand schließen sich die Fächer wieder. 

Neugierig folgen meine Augen allem, was er macht. 

„Reicht dir diese Demonstration für den Anfang?", erkundigt der Schwarzhaarige sich bei mir, worauf ich nicke. „Die Zimmer sind so konstruiert, dass es nur derjenige betreten kann, der den Schlüssel dazu besitzt", beginnt er zu erklären. „Allerdings kann man auch einstellen, dass noch andere Personen dazu Zutritt haben."

Er geht zur Wand, die der Tür gegenüberliegt. Nach einer weiteren Berührung öffnet sich ein großer länglicher Teil, der ihn überragt aber dessen Inhalt mir von seinem Körper verborgen wird. Dieser Teil gehört zu einem Schrank, nehme ich an.

„Schlüssel?", frage ich nach. 

Als er zu mir kommt, hält er eine schwarze Uniform in seinen Händen. 

„Ich hab doch gesagt, dass ich eigentlich keine Wache bin!" Er lächelt mich an. „Nur solange ich auf dich aufpassen soll. Außerdem sieht es komisch aus, wenn sich dort unten ein Krieger herumtreibt." 

Er zieht den Ärmel seiner Uniform ein Stück nach oben. Ein hauchdünnes, schwarzes Band, das eng um seinen Arm liegt, kommt zum Vorschein. Dieses Ding muss der Schlüssel sein, dazu braucht er mir noch nicht mal etwas zu sagen, ich kann es mir schon selbst denken.

Seine Schritte führen ihn zu einer weiteren Wand. Eine Tür geht auf, als er davor tritt. 

Die Zeit, in der er in dem Raum verschwindet, widme ich mich dem Saft. 

Seine Farbe gleicht den Früchten, die er Nora und mir gereicht hat. Auch der Geruch erinnert daran.

„Trinken kann man das auch!", kommt es unnötigerweise von der Tür. 

Seine Uniform, die er jetzt trägt, ist komplett Schwarz, und wirkt an ihm eindrucksvoller als dieses Grau, in dem ich ihn kennengelernt habe. 

Doch nach seinem Spruch strecke ich ihm nur die Zunge raus.

„Das ist mir schon klar!" Eingeschnappt wende ich den Kopf von ihm ab. 

Demonstrativ ergreifen meine Hände das Glas und ich trinke einen Schluck davon. 

Ein Lachen kommt von ihm.

 ***

Fragen über Fragen zu dieser Wache, Kämpfer, oder was auch immer er sein mag, sind in meinem Schädel. Eine Vermutung habe ich, aber keinen Beweis. 

Gasard, der von vielen verabscheut wird, scheint mir auch ein netter Mann zu sein. Ich freue mich schon darauf, ihn näher kennenzulernen. 

Wenn ich daran denke, was mir bevorsteht, springt mein Herz vor Freude und wird im gleichen Moment von Angst belegt.