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Ein Kuss, der alles verändert

Der Mond stand hoch am Himmel, als Amaya an diesem Abend aus ihrem Fenster blickte. Die Akademie war in Dunkelheit gehüllt, und nur das sanfte Schimmern der magischen Kristalle an den Wänden der Gebäude verbreitete ein leises, beruhigendes Licht. Sie war allein in ihrem Raum, der mit Regalen voller alter Bücher und Notizen ausgestattet war. Doch ihre Gedanken waren weit entfernt, in der weiten, offenen Landschaft der Akademie, wo sie Jackson einmal wieder begegnen musste. Die letzten Tage hatten sie mehr und mehr mit der Frage beschäftigt, was zwischen ihnen und ihm geschehen war.

Seitdem Erynn sich von Jackson zurückgezogen hatte, war etwas in der Luft, das Amaya nicht richtig benennen konnte. Jackson war seltsam ruhig, nachdenklich, als ob er die ganze Zeit mit sich selbst im Reinen sein musste. Aber Amaya wusste, dass diese Ruhe nur ein Deckmantel war. Dahinter verbarg sich ein Sturm von Gefühlen, den sie nicht richtig einordnen konnte.

Sie hatte sich an die Ungewissheit gewöhnt, dass die Dinge zwischen ihr und Jackson kompliziert waren, dass es keine einfachen Antworten gab. Und doch hatte sie das Gefühl, dass sie irgendwann einen Wendepunkt erreichen würden, an dem sich alles ändern würde.

Und dieser Moment kam schneller, als sie dachte.

Es war während eines gemeinsamen Trainings, das Amaya und Jackson zusammenführten, als die Anspannung zwischen ihnen unübersehbar wurde. Das Training war ein intensiver Test für ihre magischen Fähigkeiten. Der Professor hatte sie zusammen ein Projekt durchführen lassen, das ihre Zusammenarbeit forderte. Doch was als einfache Übung begann, entwickelte sich schnell zu einer energetischen, fast elektrischen Begegnung.

„Du konzentrierst dich nicht genug", hörte sie Jacksons Stimme, rau und scharf, als er die Augenbrauen zusammenzog und ihre Bewegungen musterte. Amaya blickte zu ihm auf, ihren Zauberstab in der Hand, und spürte, wie eine Mischung aus Frustration und Verwirrung in ihr aufstieg.

„Ich versuche es", antwortete sie, aber ihre Stimme zitterte leicht, was sie sofort ärgerte. Sie wollte nicht, dass er es sah, wollte nicht, dass er bemerkte, wie unsicher sie sich fühlte.

„Das reicht nicht. Du musst mehr aus dir herausholen." Jacksons Blick war durchdringend, seine Worte steckten voller Bedeutung. Doch als er sie ansah, bemerkte Amaya etwas anderes in seinen Augen. Es war keine Unzufriedenheit, keine Arroganz – es war etwas anderes. Etwas, das sie nicht benennen konnte. Etwas, das sie zu ersticken drohte.

In diesem Moment brach etwas in Amaya. Die Anspannung, die sie in den letzten Tagen gespürt hatte, brach sich Bahn. Sie trat einen Schritt auf Jackson zu, der immer noch vor ihr stand, den Blick fest auf sie gerichtet. Der Raum zwischen ihnen war jetzt so gering, dass sie die Hitze seines Körpers spüren konnte, die gleiche, die sie selbst in ihren eigenen Adern fühlte.

„Was ist los mit dir, Jackson?" Ihre Stimme war fest, doch die Worte waren fast wie ein Flüstern. Sie wollte nicht schwach klingen, wollte nicht, dass er ihre Unsicherheit bemerkte. Aber es war zu spät. Sie wusste, dass er die Herausforderung in ihren Worten hören konnte.

Er sah sie nur für einen langen Moment an, und sie spürte, wie der Raum zwischen ihnen beinahe zu brennen schien. Ihre Blicke trafen sich, und für eine Sekunde schien die Zeit stillzustehen. Der Rest der Welt verschwand, und alles, was übrig blieb, war dieser Augenblick. Der Blick, der so viel mehr sagte, als Worte es je könnten.

„Du weißt, dass du mich nicht einfach ignorieren kannst", flüsterte Jackson schließlich, seine Stimme jetzt leiser, fast verletzlich. Es war das erste Mal, dass er so sprach, und es durchbrach eine Mauer, die er in den letzten Wochen errichtet hatte.

Amaya konnte den Kloß in ihrem Hals kaum schlucken, als ihre Augen sich tiefer in seinen vergruben. Sie wollte ihm antworten, aber es schien, als würden alle Worte, die sie sagen wollte, in ihrer Kehle stecken bleiben. Stattdessen trat sie einen Schritt näher, als ob sie sich einfach der unbändigen Anziehungskraft hingeben wollte, die zwischen ihnen wuchs.

Plötzlich war alles klar. Ihre Unsicherheiten, ihre Ängste – sie verschwanden in diesem Moment, als ihre Blicke sich erneut trafen. Und dann geschah es.

Jackson beugte sich vor.

Der Kuss kam ohne Vorwarnung, fast rücksichtslos. Ihre Lippen trafen sich in einem wilden, leidenschaftlichen Augenblick, der alle bisherigen Spannungen auflöste. Es war mehr als nur ein Kuss – es war eine Entladung, eine Zusammenführung all der Emotionen, die sie füreinander hatten, aber nie wirklich gezeigt hatten. Ihre Hände fanden sich aufeinander, als wären sie zwei Teile eines Puzzles, das endlich an seinem Platz war.

Doch gerade als der Kuss sich vertiefte, als ihre Körper sich aneinander pressten und die Welt um sie herum verblasste, zog sich Jackson plötzlich zurück. Amaya starrte ihn an, ihre Wangen erhitzt, ihr Herz raste. Sie konnte den Schmerz in seinen Augen sehen, als er sich von ihr löste, als ob er selbst mit seinen eigenen Gefühlen überfordert war.

„Ich... ich kann das nicht", murmelte Jackson, seine Stimme klang erschöpft, fast schuldig. „Es tut mir leid, Amaya. Ich kann dir nicht geben, was du willst."

Er trat zurück, als ob er einen unsichtbaren Abstand zwischen sich und ihr herstellen wollte.

Amaya stand da, völlig sprachlos, der Kuss noch immer brennend auf ihren Lippen, aber der Schmerz, den er hinterließ, war umso deutlicher. Ihre Hände zitterten, und ihre Gedanken wirbelten durcheinander.

„Warum?" war alles, was sie herausbrachte. Ihre Stimme klang brüchig, fast verzweifelt. „Warum tust du das, Jackson?"

Er schüttelte den Kopf, und für einen Moment schien es, als würde er gar nicht wissen, wie er sich erklären sollte. „Es ist... es ist nicht einfach. Du verdienst mehr als das, was ich dir geben kann. Ich... ich kann das nicht, Amaya."

Seine Worte trafen sie wie ein Schlag, als ob er sie gegen eine Wand geworfen hatte. Aber sie wusste nicht, was sie fühlte. Die Enttäuschung, die Wut, die Verwirrung – es war alles gleichzeitig. Und das Einzige, was sie wirklich spürte, war ein brennender Wunsch, dass er sie in diesem Moment nicht so verlassen würde.

„Warum?" wiederholte sie, dieses Mal mit einem Hauch von Bitterkeit in ihrer Stimme. „Warum jetzt?"

Jackson blickte ihr in die Augen, und in diesem Moment verstand Amaya. Sie verstand, dass er sich selbst nicht erlaubte, mehr zu wollen, mehr zu fühlen. Und sie wusste, dass er auch sie von sich fernhalten wollte, um sich selbst zu schützen. Doch in diesem Moment, bei diesem Kuss, hatte er etwas Unwiederbringliches freigegeben.

„Ich kann dir nicht das geben, was du verdienst", wiederholte er noch einmal. „Aber ich will es. Ich will dich, Amaya. Aber ich... ich weiß nicht, wie."

Und mit diesen Worten drehte er sich um und verließ sie, zurücklassend eine völlig verwirrte, verletzte Amaya, die sich auf den letzten Rest ihrer Kräfte stützte, um nicht zusammenzubrechen.

Es war der Kuss, der alles veränderte. Aber gleichzeitig war es auch der Kuss, der mehr Fragen aufwarf, als er Antworten gab. Und so blieb Amaya in diesem Moment – am Rande der Klarheit, aber noch immer inmitten eines Chaos, das sie nicht vollständig begreifen konnte.