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Kein Krankenhaus mehr

Die Schwester fragte: „Wie 18? Seit wann?" Der Arzt antwortete ihr, dass es schon ein paar Tage her sei. „Wie die Zeit vergeht", seufzte sie daraufhin, gefolgt von einem tiefen Atemzug. Dann sagte sie, als wäre es selbstverständlich, dass sie ihn jetzt aufwecken und fragen müssen, was er machen möchte. Der Arzt bedauerte dies, sagte aber, dass er noch andere Patienten zu betreuen habe. Der Pfleger hingegen folgte der Schwester und stieß mit Kaiden zusammen. Sie klopften leicht auf Kaidens Schultern, als würden sie ein kleines Baby nach dem Essen auf den Rücken klopfen. Eine leichte Gänsehaut überzog Kaiden und ließ ihn kurz erstarren. Die kitzelnde Vibration breitete sich von seinen Schultern bis zum Steißbein aus. Als er sich umdrehte, sah er die beiden etwas besorgten, aber dennoch lächelnden Gesichter.

Er konnte nicht anders. Schon nach wenigen Sekunden überzogen seine Mundwinkel die Muskeln in seinem Gesicht, und ein Lächeln breitete sich aus. Der Pfleger klopfte ihm leicht auf die Schulter und fragte direkt, was denn los sei. Kaiden wollte erst nichts sagen, öffnete dann aber seinen Mund und erklärte, dass es um einen Freund gehe, über den er jedoch nicht mehr sprechen wolle. Das Meer der Tränen schien aufzuhören, und Kaiden wischte es mit seiner metallenen und menschlichen Hand weg. Die etwas geröteten Augen schienen sich zu bessern, und das Lächeln blieb stehen. Dennoch schien seine Nase zu laufen, was bemerkbar wurde, als er immer wieder versuchte zu atmen und Geräusche von sich gab.

Der Pfleger, der glücklicherweise eine Packung Taschentücher in der linken Seitentasche seiner Hose hatte, bot Kaiden eines davon an. Nachdem er dem Gefallen nachgekommen war, streckte Kaiden seine langen Arme aus, und der Pfleger reichte ihm ein Taschentuch. Kaiden schnäuzte so fest er konnte, und eine Lawine aus gelber, weißer, fester Flüssigkeit schien zu strömen. Endlich konnte er tief und frei atmen. Er bedankte sich und fragte, was sie nun vorhatten.

Verwirrt schauten sie ihn an. „Was meinst du damit? Natürlich sind wir hier. Erstens sind wir eigentlich für dich hier verantwortlich und haben nicht damit gerechnet, dass du wegrennen würdest. Zweitens wollten wir fragen, was du jetzt machen möchtest. Jetzt, wo du wieder selbständig laufen kannst und obendrein erwacht bist."

Kaiden schaute nachdenklich in die Leere und konnte ohne zu zögern sagen, was er machen wollte. „Es macht eigentlich keinen Sinn, mich operieren zu lassen. Erstens, weil ich dabei sterben könnte, und zweitens, weil, wie der Arzt gesagt hat, selbst bei Entfernung der Tumore diese garantiert wieder zurückkommen werden. Deshalb, wenn ich ehrlich sein sollte, würde ich gerne so schnell wie möglich von hier weg, in diese andere Welt, also Präeter gehen und nach meinem Bruder suchen."

Verständlich, ohne ein Gegenargument zu liefern, schienen der Pfleger und die Schwester ihn zu verstehen. Schließlich machte es überhaupt keinen Sinn, hier in diesem eher kleinen Krankenhaus Zeit zu verbringen. Immerhin hatte er auch keine Verletzungen mehr, die so richtig behandelt werden mussten, geschweige denn irgendetwas anderes, das ihn hier halten würde.

„Wann wolltest du dann gehen?", fragte die Schwester mit ihren immer noch bezaubernden Lippen. „Tatsächlich würde ich vom jetzigen Standpunkt aus schon nach dem Essen aufbrechen."

Erneut schauten die beiden etwas lächelnd zum anscheinend wieder normalen Kaiden rüber. „Aber du weißt doch gar nicht, wie du dorthin kommst, oder?" Ja, genau, erwiderte Kaiden, das wollte ich euch ja auch noch fragen, bevor ich gehe. So dumm, wie sie ihn gefragt hatte, so hatte auch sie keinerlei Ahnung. Vielleicht wusste der Pfleger etwas? Doch auch er schüttelte den Kopf.

Kaiden fragte, ob vielleicht etwas in seinem Koffer war, das für weitere Infos sorgen könnte. Die Schwester stimmte dem zu und fragte den Pfleger, ob er so nett wäre, noch einmal zurückzugehen und darin weiter zu suchen. Dieser bejahte und ging mit seinen großen Schritten los.

Gegenüber sitzend, saßen nun die beiden da, Kaiden am Essen und die Schwester ohne. Er aß weiter und dachte nicht weiter, bis ihm auffiel, wie unhöflich sein Verhalten war. „Wollen Sie auch etwas zu essen oder trinken?", fragte er höflich. Die Schwester, gerührt von seiner Geste, lehnte dankend ab und fügte hinzu, dass sie schon in einer früheren Pause zu Mittag gegessen habe. „Aber trotzdem vielen Dank."

Eine unangenehme Atmosphäre schien während der rauschenden Gespräche der anderen zwischen den beiden zu herrschen. Schließlich war Kaiden nicht der allzu gesprächigste Geselle. Das einzige, was er tat, war, sich das Essen diesmal aber genüsslich in den Mund zu schieben. Während er kaute und die Aromen der doch so einfachen Kost genoss, konnte er sagen, dass es wie das Essen seiner Mutter schmecken würde, auch wenn er keine hatte.

Ein paar Minuten vergingen, und die Schwester schaute durch die Gegend. Sie konnte ebenfalls kein passendes Gesprächsthema finden. Im Sekundentempo tippte sie mit verschrenkten Armen mit ihrem linken Zeigefinger auf ihren rechten Handrücken, um die Zeit totzuschlagen und sich irgendwie zu beschäftigen. Doch passend, als Kaiden mit seinem Essen fertig war und die Palette zum Abstellen bringen wollte, traf der Pfleger ein und brachte erfreuliche Nachrichten mit.

Er schien Dinge bei sich zu tragen. In der Box, in der sich die Prothesen befanden, schienen auch ein Zettel und eine kleinere Box zu sein. Kaiden, der gerade seine Palette wegbrachte, sah ebenfalls den Pfleger und grüßte ihn. Auch die Schwester stand auf und gesellte sich zu den anderen beiden, die momentan am Rand des Raumes standen. Näherkommend hörte sie nur, wie die beiden schon miteinander redeten. Was sie von ihrer Unterhaltung aufnahm, war, dass Kaiden ein Handy bekommen hätte und eine Kreditkarte.

Der Pfleger las den Text, der auf einem kleinen Zettel stand, vor. Kaiden sollte die eingespeicherte Nummer anrufen und der Person alles erklären, sobald er bereit wäre, aus dem Krankenhaus zu treten.

Der Pfleger übergab Kaiden das Handy, das perfekt in seiner Hand lag, sowie das Portemonnaie mit der Kreditkarte. Gemeinsam liefen sie den Gang entlang, nachdem sie die etwas größere Tür geöffnet hatten. Wieder herrschte eine einfache, dennoch unangenehme Stille. Niemand konnte ein Wort von sich geben, denn sie wussten, was geschehen würde. Doch der Pfleger entschied sich doch noch, etwas zu sagen, bevor es zu spät war.

„Kaiden, du wirst uns jetzt verlassen, nicht wahr?" Die Schwester fügte hinzu: „Vergiss uns aber ja nicht!" mit einer scherzenden Stimme. Sie liefen weiter den Korridor entlang, bis sie vor der automatischen riesigen Tür standen. Die beiden blieben stehen und verabschiedeten sich von Kaiden, diesmal mit einer leichten Umarmung.

Während sich nun ihre Wege trennen würden und sie ihm den Rücken kehrten, schien der Pfleger noch etwas zu rufen. „Übrigens, mein Name ist Reo!" Kaiden drehte sich um und winkte zurück, während er sein Lachen nicht unterdrücken konnte. Die Türen öffneten sich automatisch, als er winkte, und Sonnenlicht strömte hinein. Eine Silhouette zeichnete sich ab, und Kaiden sah aus wie eine Sonnenfinsternis.

Während er durch die sich öffnenden Türen schritt, dachte er darüber nach, wie witzig es war, dass er bis eben noch nicht einmal seinen Namen wusste. Die Türen schlossen sich und verschluckten die beiden, ebenso wie das einfallende Licht am Eingang des Krankenhauses.

Frische Luft, etwas fischig und salzig, da es in der Nähe des Meeres war. Zurückblickend sah er, während er sich entfernte, auf das Krankenhaus. Es sah von außen genauso aus wie von innen: ein etwas kleineres Krankenhaus, aber dennoch groß. Sowohl drinnen als auch draußen war es langweilig in einem schlichten Weiß-Grau gestrichen.

Doch als er weiter schaute und rückwärts lief, erblickte er den alten Arzt durch ein großes Fenster. Er schien mit einem Patienten zu sprechen und bemerkte Kaiden nicht. Das störte den jungen Kaiden allerdings nicht. Mit einer Drehung und einem erneuten Winken sagte er schließlich noch einmal: „Auf Wiedersehen", diesmal aber an den alten, grimmigen Arzt gerichtet.

Er lief weiter und wollte die Promenade entlanggehen, um sich etwas auszuruhen und zu entspannen, doch dann hörte er erneut einen alten Mann schreien: „Heißer Kakao, heißer Kakao, nur hier bei mir, von bester Qualität!" Dorthin gewandt, blickte er verführt auf den Behälter, mit dem der Mann die Becher füllte.

„Wollen Sie einen heißen Kakao, junger Mann?" schrie dieser Kaiden fragend an. „Sicher doch", erwiderte Kaiden, und lief dem Stand entgegen. Doch sobald der Mann ihm einen Becher füllte und nach Geld verlangte, erinnerte sich Kaiden daran, dass er kein Kleingeld dabei hatte. Nicht wissend, was er machen sollte, wollte er sich irgendwie noch herausreden. Dabei fiel ihm ein, dass er doch eine Kreditkarte bekommen hatte.

Kaiden fragte den Mann, ob er auch mit einer Karte zahlen dürfte, woraufhin dieser erfreut dies bejahte. Der alte Mann streckte den Kartenleser heraus, woraufhin Kaiden seine Karte, die er aus seinem schwarzen, aus Leder gefertigten Portemonnaie holte, hineinschob. Einige Sekunden vergingen, und der alte Mann fragte, ob er nicht endlich den Code eingeben könnte, da seine Arme anfingen, weh zu tun und schlapp zu werden.

Innerlich geriet Kaiden in Panik. Er hatte noch nie eine Karte besessen und somit auch noch nie mit einer bezahlt. Er wusste zwar, dass man dafür einen Code benötigte, vergaß es aber unter dem kurzzeitigen Stress davor. Etwas verlegen und entschuldigend fragte er, ob er einen wichtigen Anruf vorher tätigen dürfte. Der etwas genervte Mann sagte daraufhin, diese Jugend von heute sei immer nur am Handy, schien ihn aber in Ruhe seinen Anruf tätigen zu lassen.

Etwas zurückweichend nahm er sein Handy aus der dünnen blau-weiß gestreiften Hosentasche und schaltete es ein. Zum Glück kein Passwort, dachte Kaiden erleichtert. Wo ist jetzt aber die Nummer, fragte er sich. Obwohl er noch nie ein Handy selbst besessen hatte, konnte er es aufgrund des Symbols, das ein Telefon wiedergab, schnell erkennen und drückte darauf.

Wie der Pfleger beschrieben hatte, war nur eine einzige Nummer eingespeichert, die er kurzerhand anrief. Während das Handy leichte, aber dennoch laute Töne von sich gab, stand Kaiden etwas nervös da, mit gestützter Hand an seinem Becken. Das ertönende Handygeräusch ging weiter, unterstützt von dem klappernden, dennoch leisen und gedämpften Auftreten seines Fußes in einer Schlappen, die er schnell auf und ab vom Boden setzte.

Doch auch dieses Geräusch verstummte schnell, als ein Piepen ertönte, gefolgt von einer Stimme. Diese war allerdings alles andere, als er sich vorgestellt hatte – es war eine weibliche Stimme mit äußerst hoher Tonlage. Sie schien etwas genervt zu sein und aß dabei etwas, was lautes Geräusch erzeugte.

„Was willst du jetzt?!" sagte sie mit einem Seufzer. „Eh, ich wollte nachfragen, was der Code für meine Kreditkarte ist?" Die nun noch genervtere Stimme murmelte leise, dennoch verständlich, dass man ihm noch nichts gesagt hätte oder was? Mit nun deutlicherer Stimme sagte sie, dass es soweit sie sah 1899 sein müsste. Daraufhin fügte sie noch etwas hinzu, nachdem Kaiden sich bedankt hatte und kurze Stille einkehrte.

„Da du wahrscheinlich erst jetzt aufgewacht bist und noch nicht einmal den Code für die Kreditkarte wusstest, weißt du sicherlich auch nicht, dass du um 18 Uhr an einem bestimmten Punkt anwesend sein müsstest, oder?" Kaiden, der davon nichts wusste, sagte ehrlich, dass er nichts davon wüsste. Nun noch genervter sagte sie: „Ist in Ordnung, ich schicke dir das per Mail. Und noch was: Die Kreditkarte, die du hast, ist extra von der Regierung, und du darfst sie nur heute benutzen. Deshalb hast du eine Begrenzung von 10.000 Dollar für die nun restlichen paar Stunden."

Mit diesen Worten ertönte ein Piepen, das die Stille wieder durchbrach. Diesmal erneut durchbrochen vom alten Mann, der ebenfalls fragte, ob er nun fertig sei. Etwas neben der Spur bejahte er das und ging auf den Stand zu. Nun eintippend die 1899, fragte er, ob er noch einen haben könnte. Während der Verkäufer das bejahte, machte er einen weiteren und somit die Rechnung umschrieb. Kaiden bestätigte den Kauf, und von seinem Guthaben wurde ein sehr kleiner Teil abgezogen.

Immer noch perplex hielt er nun die beiden Kakao-Becher in den Händen. Langsam laufend in Richtung einer Bank fasste Kaiden sich wieder zusammen. Er war deshalb so, wie er war, da es 10.000 Dollar waren, die er für heute bekam. Er hatte noch keine Arbeit geleistet, bekam aber den Lohn von seinem Bruder, der dafür bis zu 6 Monate hätte arbeiten müssen.

Immer noch etwas fassungslos, dennoch glücklich, saß er mit seinem Kakao auf der Bank, teilend mit dem anderen zu seiner Linken. Als er einen etwas bescheideneren Schluck des heißen Getränks zu sich nahm, sagte er mit leiser Stimme und leichtem Schmunzeln: „Jetzt wird alles besser."

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