Dunkelheit hatte mich umhüllt, eine tiefe, traumlose Schwärze, in der ich schwerelos schwebte. Doch nach und nach begann sich diese Finsternis zu lichten, und Erinnerungen stiegen in mir auf, wie der Rauch eines längst erloschenen Feuers. Die Tage meiner Gefangenschaft, die endlosen Kämpfe, die Ketten, die mich an Valgor gebunden hatten – alles, was ich verdrängt hatte, kehrte zurück. Und mit jeder Erinnerung spürte ich, wie sich die letzten Fesseln, die er über mich gelegt hatte, endgültig lösten.
Die Ketten von Valgor waren fort. Ich war frei.
Langsam begann ich die Welt um mich herum wieder wahrzunehmen. Zuerst waren es nur verschwommene Geräusche – das leise Flüstern des Windes, das entfernte Summen der Stimmen. Dann spürte ich die sanfte Berührung von Erde unter meinen Klauen. Mein Herzschlag beschleunigte sich, und meine Lungen zogen das erste tiefe Atemzug frischer Luft ein, seit Wochen.
Meine Augen öffneten sich. Das Licht war grell, aber nach einem Moment gewöhnten sich meine Augen an die Helligkeit, und ich sah, wo ich war. Ich lag in einer großen Halle, gebaut für Drachen wie mich – doch als ich meinen Kopf hob, merkte ich, dass sie jetzt fast zu klein für mich war.
Ich war größer geworden. Viel größer.
„Er wacht auf!" Eine Stimme drang zu mir durch, und als ich mich langsam bewegte, erschien ein vertrautes Gesicht neben mir. Es war Kara, die Reiterin, die mich von Anfang an unterstützt hatte. Ihre Augen glänzten, als sie mich ansah.
„Feuerherz… du bist wach," flüsterte sie, ihre Stimme voller Erleichterung.
Ich nickte leicht, mein mächtiger Kopf bewegte sich langsam. „Ja," sagte ich, und für einen Moment war ich überrascht, wie anders meine Stimme klang. Sie war nicht mehr das unsichere, stotternde Flüstern, das ich einst hatte. Nein, jetzt war sie fest, ruhig… weise. Es fühlte sich an, als hätte ich endlich meine wahre Stimme gefunden.
Kara lächelte und wandte sich sofort um. „Ich hole die anderen!" rief sie, während sie aus der Halle stürmte. Ich sah ihr nach und spürte ein seltsames Gefühl der Wärme in meiner Brust. Sie hatten auf mich gewartet, all die Zeit.
Ich richtete mich langsam auf, meine Glieder noch etwas steif von der langen Bewegungslosigkeit. Doch die Kraft, die ich jetzt in mir spürte, war überwältigend. Ich war nicht mehr derselbe Drache, der ich früher war. Nicht mehr der Sklave Valgors. Ich war Feuerherz, frei und ungebunden.
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Meine Beine trugen mich so schnell, wie ich konnte. Die Nachricht, dass Feuerherz endlich erwacht war, schoss wie ein Blitz durch meine Gedanken. Wochenlang hatten wir gewartet, uns gefragt, ob er jemals wieder zu uns zurückkehren würde. Und jetzt war er endlich wach!
„Er ist wach!" rief ich, als ich den großen Raum erreichte, wo die anderen Reiter und Drachenfreunde warteten. Zyra, die schillernde Winddrache, hob sofort den Kopf, und in ihren Augen blitzte etwas auf, das ich selten gesehen hatte – pure Freude.
„Feuerherz ist wach?" fragte sie und sprang mit einer Leichtigkeit auf, die trotz ihrer Größe beeindruckend war.
„Ja, kommt schnell!" Ich winkte ihnen zu, und ohne ein weiteres Wort rannten alle los – die Drachen und ihre Reiter gleichermaßen.
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Ich hörte ihre Schritte, bevor ich sie sah. Eine Gruppe von Gestalten stürzte in die Halle, und als sie mich erblickten, waren es nicht die Menschen, die zuerst reagierten. Es waren die Drachen. Zyra, Tharok, Fioras, Balethor, Sindra, Kaelor – alle meine alten Freunde kamen auf mich zugerannt, ihre Augen voller Erleichterung und Freude.
Zyra war die Erste, die mich erreichte. Sie war immer schnell, immer die Erste, wenn es um Freundschaft ging. Sie warf sich regelrecht gegen mich, ihre schimmernden grünen Schuppen leuchteten im Licht, während sie sich an meine Seite drückte. „Feuerherz!" rief sie, ihre Stimme vor Freude zitternd. „Du bist zurück!"
Die anderen Drachen folgten, und ich spürte ihre warmen Körper, als sie sich an mich kuschelten, mich mit ihrer Zuneigung umgaben. Es war überwältigend. Ich, der Drache, der einst allein war, ein Sklave, ein Werkzeug – jetzt war ich von Freunden umgeben. Drachen, die mich verstanden. Drachen, die mich schätzten.
Doch da war noch etwas. Während sie sich an mich schmiegten, wurde mir bewusst, wie sehr ich gewachsen war. Ich war dreimal so groß wie sie. Meine mächtigen Flügel spannten sich über ihnen wie ein schützendes Dach, und ich konnte die Ehrfurcht in ihren Augen sehen.
„Du bist gewachsen," murmelte Tharok, der stille Erddrache, seine schweren, felsigen Schuppen an meine Seite gedrückt. Seine Stimme war voller Anerkennung.
„Ja," antwortete ich leise. „Und ich bin frei."
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Als ich Feuerherz so sah, von all seinen Drachenfreunden umgeben, konnte ich das Lächeln nicht unterdrücken. Er war nicht mehr der Drache, der damals gefangen genommen wurde. Er war größer, mächtiger… aber vor allem wirkte er frei. Es lag eine Ruhe in seinen Augen, die vorher nicht da gewesen war.
„Er sieht aus wie ein König unter Drachen," flüsterte Tarin, der neben mir stand. „Siehst du, wie sie ihn ansehen?"
Ich nickte. „Er hat es geschafft. Er ist wirklich frei."
Als Feuerherz schließlich zu uns Reitern aufsah, war da keine Distanz mehr, keine Unsicherheit. Er schien uns mit einer Klarheit zu betrachten, die ich vorher nie bei ihm gesehen hatte.
„Danke," sagte er, seine tiefe, weise Stimme erfüllte den Raum. „Für alles."
Wir nickten, jeder von uns tief bewegt. Dies war der Drache, für den wir gekämpft hatten. Der Drache, den wir gerettet hatten. Feuerherz war zurück – und er war mächtiger als je zuvor.