Kältegift (2)

Im Moment, als Su Xiaofei zu Boden fiel, fühlte sie, wie ihr ganzer Körper in einem schmerzhaften Beben lag, das ihr seltsam bekannt vorkam. Ihr Kopf schien größer als gewöhnlich und das Gewicht ihres Körpers hatte sich vervielfacht; sie konnte nicht einmal einen Finger heben.

Waren das nicht alles Symptome, die sie aus ihrem früheren Leben kannte? Wie konnte es sein, dass das kalte Gift langsam in ihrem Körper akkumulierte, bis es zu spät war, um zu realisieren, was sie getroffen hatte.

Bevor Su Xiaofei in ihrem früheren Leben Mo Yuchen heiratete, hatte sie bereits diese Anfangssymptome erfahren. Bei ihrer Scheidung litt sie unter chronischen Schmerzen, Anfällen und blutigem Erbrechen, verursacht durch das Gift.

Erst zum Ende hin hatte sie erfahren, dass Ye Mingyu es war, die ihr über die Jahre das Gift verabreicht hatte. Als Lu Qingfeng davon erfuhr, war es zu spät, einen genialen Arzt zu finden, der das Gift aus ihrem Körper entfernen konnte.

Su Xiaofei hätte nie gedacht, dass sie das Gleiche noch einmal durchmachen würde. Eine Minute unter Schmerzen kam ihr wie eine Ewigkeit vor. Selbst als Yun Xiang sie hochhob, begannen ihre Augen zu verschwimmen und ihr Fokus ging verloren, während ihr Körper auf das Gift in ihren Adern reagierte.

Sie kämpfte darum, bei Bewusstsein zu bleiben, und musste an die Möglichkeit denken, dass Ye Mingyu doch nicht so ahnungslos war, wie sie vorgab. Wie war es möglich, dass das Gift, das sie in ihrem früheren Leben tötete, dasselbe war, das bei dem Angriff auf Meister Ouyang verwendet wurde?

Je mehr sie darüber nachdachte, desto wahrscheinlicher schien es, dass Ye Mingyu in Verbindung zu jenen Männern stand. Könnte es sein, dass die unschuldige und gutmütige Frau, die alle lobten, nur eine Maske von Ye Mingyu war?

'Sterbe ich?', fragte sie sich und hoffte, dass dies nicht nur ein sehnsüchtiger Traum war. Hatte sie sich in der Illusion verfangen, sie könne den Lauf ihres Lebens ändern, nur um am Ende doch auf eine unüberwindliche Hürde zu stoßen?

Su Xiaofei war sich nicht sicher, wie viel Zeit seit dem Angriff vergangen war und warum Yun Xiang sie festhielt. Sie kämpfte darum, für Xi Qians willen wach zu bleiben, aber sie erlag doch der auf sie wartenden Dunkelheit. Als ihr Bewusstsein schwand, dachte sie zuletzt an Lu Qingfeng.

Sie wusste nicht, was danach geschah, aber sie war sich sicher, dass Meister Ouyang sich schuldig fühlen würde für das, was ihr zugestoßen war. Er konnte nicht einfach ignorieren, dass sie seinetwegen verletzt worden war.

Als sie das nächste Mal ihre Augen öffnete, war die Decke über ihr unkenntlich. Su Xiaofei hatte keine Ahnung, wo sie war und was geschah, nachdem sie das Bewusstsein verloren hatte. Als sie ein Keuchen neben sich hörte, wandte sie ihren Blick nach rechts und sah Xi Qians Augen, angefüllt mit Tränen.

"Qian...", ihre Stimme klang plötzlich heiser.

Xi Qian schüttelte den Kopf und lächelte, obwohl Tränen aus ihren Augen rollten.'"Keine Sorge, Feifei, dir geht es wieder gut. Meister Han hier hat deine Wunden behandelt," sagte Xi Qian zu Su Xiaofei.

Erst jetzt wurde Su Xiaofei bewusst, dass noch jemand neben Xi Qian stand. Es war ein Mann mit sanftem Lächeln und traditioneller Kleidung. Er lächelte Su Xiaofei höflich an, während Xi Qian ihr half, sich aufzurichten.

"W-was ist mit mir passiert?" fragte Su Xiaofei den Arzt.

"Miss, können Sie sich nicht erinnern? Sie wurden direkt vor unserer Tür niedergestochen. Sie hatten Glück, dass Sie so nahe bei uns waren, denn es gelang uns, das Gift aus Ihrem Körper zu entfernen, bevor es sich festsetzen konnte."

"I-ch bin vergiftet worden?" stotterte sie und tat so, als wüsste sie nicht, was zuvor geschehen war. "Werde ich nun sterben?"

Da dieser Mann offensichtlich gut über das kalte Gift Bescheid wusste, das in ihren Körper gelangt war, beschloss Su Xiaofei, weitere Informationen von ihm zu erfragen.

Han Zijun schüttelte den Kopf. "Nein. Das Gift allein reicht nicht aus, um Sie umzubringen. Würde jedoch mehr davon in Ihren Blutkreislauf gelangen, wäre der verursachte Schaden irreparabel. Ihre inneren Organe würden eines nach dem anderen versagen, bis Ihr Körper schließlich ganz aufgibt."

Su Xiaofei war sich dessen bereits bewusst, denn es war dasselbe Gift, an dem sie in ihrem früheren Leben gestorben war. Der letzte Arzt, der sie untersuchte, hatte gesagt, das Gift in ihrem Körper sei bereits tief in die Knochen eingedrungen und nicht mehr entfernbar. Eine frühere Diagnose hätte ihre Überlebenschancen verbessert.

Was sie von jenem Arzt gehört hatte, war, dass das Kältegift für gewöhnliche Menschen schwer zu beschaffen ist. Es ist auch für sie schwer genau zu erkennen, dass es giftig ist, da es weder Geruch noch Geschmack hat, der seine Präsenz verraten könnte.

Seitdem hatte Su Xiaofei sich gefragt, wie Ye Mingyu in der Lage war, ein solches Gift zu beschaffen, obwohl sie herausfinden konnte, auf welche Weise Ye Mingyu sie vergiftet hatte. Jetzt, da sie zum zweiten Mal vergiftet wurde, deuteten die Hinweise darauf hin, dass Ye Mingyu mit jenen zusammenarbeitete, die Meister Ouyang schaden wollten.

"Was würde dann mit mir geschehen?" fragte sie Han Zijun, um herauszufinden, wie fähig dieser Arzt war.

"Miss, machen Sie sich keine Sorgen. Es gelang mir, den Großteil des Giftes zu extrahieren. Obwohl noch Reste in Ihrem Körper sind, diese werden innerhalb der nächsten drei Tage lediglich Unbehagen und Fieber verursachen. Ich werde Ihnen einige Medikamente geben, um das verbleibende Gift auszuschwemmen. Bitte kommen Sie zur Sicherheit erneut zur Kontrolle vorbei, damit ich nachsehen kann."

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