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Kapitel 17

Es war viel zu früh am Morgen, kurz vor Dämmerung. Sie war wieder in Gabriels Armen. Die Tabletten machten sie nicht mehr benommen, sie war ganz klar, sie spürte keine Schmerzen mehr. Ihr fiel ein wie sie sich gestern verhalten hatte und ihre Atmung beschleunigte sich. Die Wärme die sie spürte war zu angenehm, zu einlullend. Sie windete sich aus Gabriels Umarmung, vorsichtig, bevor sie ins Badezimmer ging und vorsichtig die Tür schloss. Gestern war ein Mädchen da, dass wie sie aussah, wer war sie? War das ein Traum? War sie mit ihr verwandt? Eine Schwester? Was wollte Gabriel mit ihr und wann würde er sie zurückschicken. Ihre Gedanken rasten. Die Suppe die sie wärmte, die Umarmungen von Gabriel die ihr Halt gaben. Sie kauerte sich zusammen auf den Boden und begann sich zu wiegen so wie er es bei ihr tat. Nein! Nein, das durfte sie nicht. Sie stoppte das wiegen und schlug den flauschigen Teppich am Boden auf damit sie auf den Kalten Bienenwabenfliesen sitzen konnte. Sie bemerkte, dass sie rosa Flauschsocken anhatte, Gabriel hatte ihr die wohl im Schlaf angezogen. Sie zog sie aus und warf sie in die Ecke. Sie versuchte zu atmen und die Emotionen zurückzudrängen. Sie spürte die Kälte und begann wegen dieser leicht zu zittern, so war es gut. So wie zuhause. Das ist es, klar und kühl, es ist alles wie vorher, die Nähe bedeutet mir nichts. Sie ging das in Gedanken durch, wiederholte es wie ein Mantra. Wenn Gabriel sie zurückschickte, dann wäre das kein Problem, wenn es schlimmer werden würde als in der Zelle würde sie das bewältigen könne. Nein, nein, es war noch nicht dasselbe, die Kälte half nicht, sie spürte sie nicht mehr.

Sie zog sich in ihren Kopf zurück in die hinterste Ecke ihres Bewusstseins. Da sah sie das bunte Bild an, es war zu einer riesigen Leinwand geworden an dem die Farben nur so heruntertropften. An einigen Stellen quollen sie regelrecht aus der Leinwand heraus und platschten auf den weißen Boden. Sie war in ihrem schwarzen großen T-Shirt und fing an zu weinen, zu schreien, während sie versuchte sich zu beruhigen und nichts mehr von sich zu geben. Sie presste ihre Hände auf die Stellen, aus denen die Farben herausgedrückt wurden, sie wollte sie zurückschieben. Die schwarzen Linien die sie gezeichnet hatte, immer und immer wieder, waren von den neuen Farben überdeckt. „Nein nein nein" Sie schrie, und presste ihre kleinen Hände gegen die riesige Leinwand, die Farben hatten sich auf ihren Armen verteilt, das schwarze T-Shirt war durchtränkt, ihre Haare klebten von der Bunten Mischung. Verzweifelt weinend versuchte sie die Stellen abzudecken, sie musste sie wieder in die Leinwand bekommen um jeden Preis. Erst dann konnte sie die Linien ziehen, erst dann würde alles wieder so sein, wie es war. 

Sie presste ihre Hände weiter auf die Leinwand, und rutschte plötzlich auf der Farbe am Boden aus, sie landete mit einem harten Knall auf den Boden. Ihre Handabdruck war über die Leinwand geschmiert. Die Farbe stieg, sie ging ihr bis zu den Knöcheln.

„Nein nein nein, bitte nicht, bitte nicht." Sie schrie und das war der letzte Atemzug den sie noch durch ihre Lungen pressen konnte. Sie bekam keine Luft mehr, die Farben die sich zu schwarzem Schlamm vermischten stiegen, sie würde ertrinken, sie würde hier sterben. Sie weinte und da sah sie den Pinsel, er schwamm an der an der Schlammoberfläche, die Farbe stieg schneller und schneller, sie reichte ihr inzwischen bis zur Hüfte. Sie watete durch den Schlamm zu dem Pinsel, verzweifelt, in Panik, sie stürzte und ging kurz unter, sie riss den Mund auf und Schlamm verklebte ihre Lungen. Todesangst packte sie. In ihrer Hand spürte sie den Pinsel, sie tauchte mit einem Satz wieder auf, den Pinsel in der Hand. Sie watete zurück zur Leinwand, der Schlamm reichte ihr bis zum Brustkorb. Halb schwimmend halb hüpfend halb gehend bahnte sie sich den Weg zu der teilweisen Versunkenen riesigen Leinwand. Mit größter Anstrengung schaffte sie es endlich zu ihrem Ziel. Sie hatte keine schwarze Farbe, oder doch, der Schlamm war schwarz, sie tauchte den Pinsel vor sich ein, er reichte ihr bis zu den Schlüsselbeinen, sie stellte sich auf die Zehnspitzen und setzte an, sie schaffte die erste Linie. Sie zog die erste Linie, und der Schlamm ebbte etwas ab, sie zog die nächste Linie. Klack klack. Sie hörte ein Geräusch, aber unwichtig, sie musste sich konzentrieren. Sie zog die nächste schwarze Linie, sie spürte, wie sie wieder ein wenig Luft bekam. Der Schlamm sank wieder kaum merklich. Klack klack. Die nächste Linie, sie bekam wieder Luft, sie sah die wunderschönen schwarzen Linien, und ignorierte das klacken. Die nächste Linie, der Schlamm ging zu ihrer Hüfte zurück. Klack Klack. Das Klacken wurde durch Hämmern unterbrochen. Was war los? Sie wusste es nicht sie durfte die Farben nur nicht weiter steigen lassen, also zog sie die nächste Linie, nun endlich, nach einer Ewigkeit konnte sie wieder Luft holen, sie atmete tief ein und spürte wie der Druck auf ihren Brustkorbnach ließ, der Schlamm sank und sank während sie weiteres klacken hörte, dass sich mit Hämmern und Schreien vermischte. Sie wollte gerade zu der nächsten Linie ansetzen da wurde die Badezimmertür aufgebrochen.

Gabriel stand vor dem Mädchen, das in einem Meer von Rubinen stand, eine Haarnadel in der Hand, die Schnittwunden, gerade Linien, die sich über ihre Beine zogen, tiefer als all ihre anderen Narben. Hinter ihm Messie und Norman, alle vier, Vivian inbegriffen, entsetzt von dem Bild, dass sich ihnen darbot. Die Rubine hatten die Füße des Mädchens zerschnitten und zu neuen Rubinen geführt.

Sie sah Gabriel in die Augen, und sie wusste nicht wieso aber heiße Tränen rannen ihre Wangen herunter, sein Gesichtsausdruck war so schmerzhaft für sie, tat ihr so weh, dass sie sich entschuldigen wollte bei ihm, in anflehen wollte sie zu ihrer Zelle zurückzuschicken, alles nur damit sie den Schmerz nicht sehen musste den sie ihm zugefügt hatte. Sie würde zurück gehen und den Pinsel zerbrechen, die Waffe die sie in sein Herz gerammt hatte, alles, nur um ihm nie wieder wehzutun. Er könnte glücklich sein und sie könnte an den Ort gehen, an dem sie andere zerstören würden, schneller, als sie sich selbst zerstören könnte. 

Sie sah ihn an und sah nochmal zur blutigen Haarnadel an denen kleine Rubine heruntertropften und auf den Großen auf dem Boden landeten. Sie sah wieder zu ihm und stammelte „Ich....ich..." Und bevor sie mehr sagen konnte, verlor sie das Bewusstsein.