Lange bevor Akios Vater gegangen war und bevor Akio geboren wurde, war Kiyomi noch nicht zu ihrem Namen gekommen. Es ist die Geschichte, wie Kiyomi ihr erstes Leben verlor.
Kiyomi war mit 15 aus ihrem Elternhaus abgehauen, doch sie wusste nicht, wohin sie sollte. Akio wusste nicht, wer seine Mutter früher gewesen ist und wie sie überhaupt glücklich werden konnte. Akio hatte in den 3 Wochen der Suspendierung einiges Erschreckendes über seine Mutter erfahren und war sich nicht mehr sicher, ob er sich je wieder gegen sie auflehnen würde.
Kiyomi: „In Ordnung, Akio, ich hatte viel Zeit, um darüber nachzudenken, und ich wäre bereit, dir etwas über meine Vergangenheit zu erzählen. Natürlich nur, wenn du auch bereit bist."
Akio: „Ich weiß nicht, ob ich bereit bin."
Kiyomi: „Ich erzähle dir das, damit du verstehst, wie Zorn zu mehr Zorn führt. Ich will, dass du aus meinen Fehlern lernst:
Als ich 15 war, bin ich von zuhause abgehauen. Die letzten Worte, die ich meinem Vater sagte, waren, dass ich ihn hasse. Ich hatte so lange diesen Hass und diese Wut in mir getragen, und in diesem Moment fühlte es sich gut an, das auszusprechen. Aber es änderte nichts. Es war nur ein Ventil, keine Befreiung. Der dicke Mann, den du gesehen hast, war wirklich mein Vater. Sein Geruch und seine falschen Spielchen werde ich nie vergessen. Ich habe ihn gehasst und tue es immer noch. Wegen ihm habe ich alle Männer gehasst. Ich dachte, alle seien wie er, und wurde wütend, richtig wütend. Ich schwor mir, es ihm heimzuzahlen. Doch bald ging es nicht mehr um ihn, sondern um mich. Egal wie sehr ich versuche, anderen die Schuld zu geben, es endet immer bei mir. Merk dir das, Akio. Auch bei dir ist niemand schuld außer dir selbst. Du triffst die Entscheidung, zu hassen oder zu lieben, dein Leben zu verbessern oder zu verschlimmern. Ich hatte mich damals falsch entschieden und bin zu lange diesen Weg gegangen."
Akio: „Wieso falsch?"
Kiyomi: „Weil es nicht das war, was ich für mein Leben wollte, auch wenn es sich damals so anfühlte."
Akio: „Das widerspricht sich."
Kiyomi: „Es klingt so, ja. Aber manchmal lügt man sich selbst an, weil man das Gute in sich sehen will. Jeder Mensch hat etwas Gutes und Böses in sich."
Akio: „Was soll das heißen?"
Kiyomi: „Du akzeptierst dich nicht selbst."
Akio: „Hä?"
Kiyomi: „Vielleicht verstehst du es besser, wenn ich weitererzähle: Ich war damals in einer Frauengang. Weißt du, was wir gemacht haben?"
Akio: „Puppen gebastelt?"
Kiyomi: „Nein. Wir haben Leute zusammengeschlagen, die uns Geld schuldeten, manchmal auch aus Spaß. Vor allem ältere, arrogante Männer."
Akio: „Wie?"
Kiyomi: „Wir haben sie teilweise verstümmelt, ihnen Knochen gebrochen, sie gefoltert. Schutzgeld war eher ‚Greift-mich-nicht-an-Geld'. Aber wir haben nie getötet."
Akio war zutiefst geschockt, sagte aber nichts. Kiyomi fuhr fort:
„Ich war über 13 Jahre in dieser Gang, bis ich auf deinen Vater traf. Er hat für die Polizei gearbeitet und uns wegen Mordes beschuldigt."
Akio: „Ich dachte, ihr habt nicht getötet!?"
Kiyomi: „Haben wir auch nicht. Wir wurden fälschlicherweise beschuldigt. Dein Vater war derjenige, der mich beschuldigt hat."
Akio: „Also hast du jemanden getötet?"
Kiyomi: „Nein, Akio. Ich habe nie jemanden getötet. Ich wollte ihm beweisen, dass wir unschuldig sind. Nach fast 2 Jahren war der Fall endlich gelöst. Als dein Vater das erste Mal zur Gang kam, haben wir gekämpft. Ich griff ihn an, nur weil er ein Mann war. Er wehrte sich, aber er wollte mir nicht wehtun. Ich fand es merkwürdig. Er blockte nur und benutzte Lichtmagie, um mich zu blenden."
Akio: „Feuermagie? Lichtmagie?"
Kiyomi: „Ich bin eine Feuermagierin, aber das bleibt unter uns."
Akio: „Aber das ist verboten."
Kiyomi: „Wir waren eine kriminelle Gruppe. Es war mir damals egal, ich wollte nur rebellieren."
Akio: „Was hat das mit mir zu tun?"
Kiyomi: „Ich will nicht, dass du das durchmachen musst."
Akio: „Aber es klingt nach Spaß."
Kiyomi: „Ich grinse nur, wenn ich an deinen Vater denke. Er rettete mir das Leben. Er sagte, ich sei schon genug verletzt, und er kämpfte nicht weiter."
Akio: „Das klingt nicht nach Papa."
Kiyomi: „Du kennst ihn nicht so, wie ich ihn kenne."
Akio: „Will ich auch nicht."
Kiyomi: „Menschen können sich ändern. Dein Vater hat mir geholfen, mich zu ändern."
Akio: „Er hat uns verlassen, das werde ich nie vergessen."
Kiyomi: „Ich verstehe deine Wut. Aber auch ich bin damals abgehauen, und es wurde schlimmer, bis ich deinen Vater traf."
Akio: „Warum dankst du ihm, wenn du alles selbst geschafft hast?"
Kiyomi: „Manchmal braucht man Hilfe, um aus seiner eigenen Hölle zu entkommen."
Akio: „Du widersprichst dich. Erst soll man alles alleine machen, dann braucht man Hilfe?"
Kiyomi: „Es ergibt Sinn, auch wenn du es jetzt nicht verstehst."
Akio: „Bin ich jetzt der dumme Junge? Willst du mich so nennen wie meine Mitschüler?"
Kiyomi: „Wer nennt dich dumm?"
Akio: „Du hörst mir nicht zu!"
Kiyomi: „Ich erzähle dir das, damit du daraus lernst, aber du verschließt dich nur."
Akio: „Ja, wie gefällt dir das, wenn deine Pläne schiefgehen?"
Kiyomi: „Was ist los mit dir?"
Akio: „Warum bin immer ich der, der falsch liegt?"
Kiyomi: „Akio, beruhige dich."
Akio: „Ich überreagiere? Immer mache ich alles falsch!"
Kiyomi: „Ich habe wohl einen wunden Punkt getroffen. Es tut mir leid."
Akio: „Ich brauche deine Entschuldigung nicht."
Kiyomi: „…"
Akio: „Ich gehe jetzt wieder in mein Zimmer. Ich brauche Zeit zum Nachdenken."
Kiyomi: "Das ist okay, Akio. Gib dir die Zeit, die du brauchst. Ich bin immer hier für dich."
Kiyomi fühlte sich erschöpft. Sie hatte zu sehr an sich und ihre Gefühle für ihren Mann gedacht und nicht daran, wie Akio sich fühlen könnte. Sie war sich nicht sicher, ob es richtig war, ihm alles erzählt zu haben.