Sie griff nach ihrem Glas und trank es aus. Dann betrachtete sie die andere Tasse in ihrer Hand. Ihr leerer Blick war hübsch und niedlich. "Wie konnte ich nur vergessen, dass du nicht trinken kannst? Diesen hier trinke ich auch für dich", sagte sie und leerte auch das zweite Glas. "Dieser Wein ist wirklich gut", bemerkte sie und schmatzte mit den Lippen. Der leuchtend rote Wein hatte ihre Lippen wie mit einer kristallklaren Membran überzogen, sodass sie glasklar wirkten. Ihre Alkoholverträglichkeit war sehr niedrig und normalerweise traute sie sich nicht zu trinken. Doch heute Nacht hatte sie keine Angst. Sie konnte trinken, so viel sie wollte.
Sie schenkte sich noch ein Glas ein, diesmal fast voll. Es rann wie Wasser ihre Kehle hinunter. Nachdem sie dieses Glas getrunken hatte, fühlte sie sich schwindelig. Es fühlte sich einfach gut an. Sie neigte den Kopf und blickte zu Fu Sinian. "Fu Sinian, wenn du aufwachst, kannst du ein solches Arrangement bestimmt nicht akzeptieren, was? Gestern waren wir noch Fremde, heute sind wir rechtlich verheiratet. Eigentlich fühlt sich das alles an, als würde ich träumen."
"Wenn du aufwachst, werden wir uns definitiv scheiden lassen. Wenn du wirklich aufwachst, bin ich bereit, zehn Jahre meines Lebens dafür zu geben!", stellte Shi Qian klar und rückte näher zu ihm. Das warme kleine Gesicht des Mädchens lag an Fu Sinians Brust. Shi Qian lauschte auf seinen Herzschlag. Einmal, zweimal. Der Rhythmus war stark und zuverlässig. Plötzlich wurde ihr bewusst, dass dieses Geräusch ihr ein eigenartiges Gefühl der Beruhigung gab.
Nach einer langen Weile blickte sie auf. "Fu Sinian, deine Haut ist so schön. Sie ist wie zartes und makelloses Porzellan", konnte Shi Qian nicht umhin zu seufzen. Sie streckte ihre Hand aus und konnte dem Drang nicht widerstehen, seine Wange zu berühren. Es fühlte sich gut an. Der warme Atem des Mädchens streifte seine Wange, mit einer Andeutung von Alkohol und einer unbeschreiblichen Süße. Wäre er ein normaler Mensch, würde er wohl in Flammen stehen.
"Wie können deine Wimpern so lang sein? Sie wirken fast unecht. Manche Frauen tragen nicht einmal künstliche Wimpern, die so lang und dicht sind wie deine", stellte sie fest und musste ihn wieder berühren. Nun war sie nur wenige Zentimeter von ihm entfernt. Ihr jeweiliger Atem, der eine leicht, der andere schwer, verband sich miteinander. Shi Qian war so vertieft in das Betrachten seiner Wimpern, dass sie gar nicht bemerkte, wie sie fast auf ihm lag.
Nachdem sie eine Weile seine Wimpern erforscht hatte, stand Shi Qian langsam auf. Doch als sie sich eine Weile zu lange festgehalten hatte, wurde ihr Arm plötzlich taub und sie fiel in Fu Sinians Arme – ihre Lippen berührten ungewollt seine. Ihre Lippen brannten und sie setzte sich hastig wieder auf. Dann schaute sie zu Fu Sinian. Auch seine Lippen waren verletzt und sahen schlimmer aus als ihre – rot und angeschwollen. "Es tut mir leid, das war wirklich nicht meine Absicht!" Shi Qian entschuldigte sich beklommen. Der im Bett reagierte überhaupt nicht.
Shi Qian atmete erleichtert auf. Glücklicherweise war er ein Mensch im Wachkoma, der sich nicht bewegen oder etwas fühlen konnte. Sie rieb sich die schmerzenden Lippen und kam auf einen Gedanken. Spürte er Schmerzen? Ohne sich dessen bewusst zu sein, beugte sie sich vor und untersuchte seine geschwollene Unterlippe. "Soll ich pusten, damit es aufhört wehzutun?", fragte sie und hauchte ihm sanft an. Der nach Wein duftende Atem landete auf seinen Lippen, noch intensiver als der Wein selbst.
Nach einer Weile strich sie ihm wie über den Kopf eines Kindes und fragte: "Das wird schon. Ist der Schmerz jetzt weg?" Ihre Augen waren inzwischen glasig. Sie war betrunken, ohne es zu merken. Ihr Blick wanderte über seinen Körper und blieb unabsichtlich an einer Stelle haften.