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Kapitel 14: Gleichgewicht

Luc streckte seine Hand nach der Elfin aus, so weit es ging mit den Fesseln. Bevor er jedoch eine Reaktion bekam, verschwamm die Erinnerung erneut.

Das nächste, was er vor Augen hatte, war die Elfin aus seiner vorherigen Erinnerung. Allerdings lag sie diesmal auf dem Boden und war von oben bis unten mit Wunden übersät. Ihre Klamotten konnten kaum mehr die Tattoos verstecken, die sich über ihren ganzen Körper zogen. 

In Luc kamen wieder alle Emotionen hoch. Er hatte sie im letzten halben Jahr komplett vergessen. Sein eigener Kampf ums Überleben hatte ihn alles vergessen lassen. 

Doch jetzt überfluteten sie ihn. Die Wut, der Wunsch nach Rache und das nicht weggehen wollende Gefühl ein Teil von sich selber verloren zu haben. 

Die Elfe öffnete die Augen und bat Luc näher heran. Mit ihrer letzten Kraft legte sie ihre Hand auf seine und sagte ihm:

"Wach auf und sorge für das Gleichgewicht. Alle Gewalt der Welt muss ausgeglichen werden mit guten Taten. Nutze meine Kräfte und hilf anderen."

Ihre Augenlider flatterten und ein letztes mal schaffte sie es Worte herauszubringen:

"Ich werde dich vermissen, Luc."

Dann kippte ihr Kopf auf die Schulter und Luc konnte keinen Puls mehr fühlen. Die Emotionen kochten in ihm und brachten ihn zurück in die Wirklichkeit.

Er öffnete seine Augen und befand sich wieder in dem Zelt. Über ihn gebeugt stand nach wie vor Elijah, immer noch sein schadenfrohes Grinsen auf dem Gesicht tragend. 

"Na sind wir wieder zu uns gekommen. Hätte eigentlich gedacht, dass du mehr aushältst."

Luc schaute Elijah tief in die Augen. Mit langsamen Bewegungen nahm er seine Arme nach vorne. Die Seile um seine Handgelenke zerfielen zu Staub. Während er aufstand, kamen Tierohren zwischen seinen langen Haaren zum Vorschein. 

Seine Hose riss an der Rückseite und zum Vorschein kam ein buschiger Schweif. Schwarz und weiß gestreift, wie bei einem Waschbären. Überall auf Lucs Oberkörper verblassten die Glyphen von Elijah. Die Wunden heilten und zum Vorschein trat das Tattoo aus Lucs Erinnerungen. 

Lucs Augen fingen an zu leuchten. Blau wie der Himmel. 

Er legte seine rechte Hand auf die Stirn des unbekannten Hunter und sagte: "Schlaf"

Der Mann sackte in sich zusammen und auf Lucs Hand war noch eine leuchtende Glyphe zu sehen. 

Elijah und Sir Bradford hatten sie noch keinen Zentimeter bewegt. So überrascht waren sie von dem, was gerade von ihnen geschah. 

Der erste, der reagierte, war Elijah. Er griff nach seinem Hammer und wollte gerade zum Schlag ausholen, als Luc beide Hände hob und jeweils auf die Brust der beiden Männer legte. Mit klarer Stimme sagte Luc: "Stoß"

Elijah und Sir Bradford flogen wie von einer Leine gezogen aus dem Zelt und durch die nächsten vier Zeitreihen gemeinsam. Luc, wie in einer Trance komplett fokussiert auf seine beiden Ziele, trat aus durch das Loch in der Zeltwand, welches die Beiden hinterlassen hatten.

Elijah hatte sich bereits aufgerappelt und stürmte auf Luc zu. Mit einem Sprung und erhobenem Hammer flog er auf Luc zu. Dieser sagte diesmal nichts, sondern machte nur eine Handbewegung und ließ Elijah zur Seite fliegen. Jedes Mal konnte man eine neue Glyphe auf der Handfläche von Luc glühen sehen.

Elijah flog erneut durch etliche Zelte. Auch diesmal rappelte er sich erneut auf, aber deutlich langsamer. 

Diesmal fing auch Luc an zu rennen. Mit wenigen Schritten schloss er die Distanz zwischen ihm und Elijah. 

Dieser hatte bereits wieder seinen Hammer zum Schlag ausgeholt. Doch in dem Moment, wo der Hammer Luc hätte treffen müssen, leuchtete erneut eine Glyphe auf. Diesmal in der Luft zwischen Elijahs Hammer und Lucs Gesicht. 

Elijah traute seinen Augen nicht. Sein Hammer löste sich vor ihm einfach in Staub auf. 

Luc nutzte diese Chance und schlug Elijah in die Magengrube. Der Schlag ließ Elijah etwas mehr als einen Meter nach hinten schlittern. Ohne Waffe hob dieser seine Fäuste, bereit zur direkten Konfrontation.

Doch er hatte keine Chance. Mit wenigen Manövern brach Luc die Verteidigung von Elijah und legte ihm erneut die Hand auf die Brust und diesmal flog Elijah nicht weg, sondern wurde einfach nur auf den Boden gedrückt. Allerdings mit solch einer Kraft, dass man das Knacken von Knochen hören konnte.

Nach wenigen Sekunden blieb Elijah regungslos liegen. Luc war bereits umgedreht und auf dem Weg, seine Kameraden zu retten.

Lucs lange Haare wehten im Wind. Keiner traute sich auch nur, ihn aufzuhalten oder sich ihm in den Weg zu stellen. Alle hatten gesehen, was mit Elijah passiert war. 

Auf dem Hauptplatz des Lagers angekommen. Sah Luc Sir Bradford auf dem Podest, von wo vor ein paar Tagen noch über die aktuellen Ereignisse informiert worden waren.

Vor ihm eine Meute von Huntern von der Erde und Soldaten aus Neria auf ihren Wölfen.

Mit selbstsicheren Worten richtete sich Sir Bradford an Luc:

"Hier ist Schluss für dich, weiter wirst du nicht kommen. Du magst zwar Elijah bezwungen haben, aber gegen so viele Hunter und Soldaten kommst du nicht an."

Luc schaute sich kurz um. Auch hinter ihm reiten sich nun weitere Hunter und Soldaten auf. Wenn er einen Schritt nach vorne machte, machte diese einen auf ihn zu.

Mit ruhiger Stimme, aber ernstem Blick richtete er sich an alle auf dem Platz: "Ich gebe euch eine Chance, hier unverletzt rauszukommen. Wählt weise."

Es brach Gelächter unter den Soldaten aus. Auch Sir Bradford grinste auf seinem Podest, gestützt auf seinen Gehstock. 

Luc schaute sich ein letztes Mal um, dann hob er seinen Fuß und trat auf den Boden. Eine Glyphe in der Größe des Platzes begann zu leuchten und mit einem Mal schossen spitze Steinformationen aus dem Boden und spießten jeden auf, der sich auf dem Platz befand. Nur der Bereich um Luc und das Podest mit Sir Bradford wurden verschont. 

Mit hinter dem Rücken verschränkten Händen und leichten Fußes sprang Luc in die Luft und landete auf einer der Formationen. Mit wenigen Sprüngen stand er direkt vor Sir Bradford. Dieser komplett überrumpelte über das eben geschehene Ereignis und dem plötzlich vor ihm stehenden Luc verlor das Gleichgewicht und fiel zu Boden. 

Luc hob erneut die Hand und auf der Handfläche begann wieder eine Glyphe zu leuchten. Sir Bradford wurde in die Luft gehoben und schwebte nun direkt vor Lucs Gesicht.

Dieser nach wie vor die Ruhe selbst fragte mit gelassener Stimme: "Wo finde ich die anderen meiner Gruppe?"

Mit verängstigter Stimme antwortete Sir Bradford: "Am anderen Ende des Lagers in den Gefangenen Zelten."

Zufrieden mit der Antwort winkte Luc mit seiner Hand und mit einem erneuten Aufleuchten der Glyphe wurde Sir Bradford weggeschleudert gegen einen Fahnenmast und blieb dort bewusstlos hängen.