Xing Shu senkte den Blick und dachte an das Geschenk, das sie für Cheng Gang und Cheng Xingyang am Freitag vorbereitet hatte. Etwas manisch leckte sie das Blut an ihrem Mundwinkel ab. Ihr Leid über die Unterdrückung durch die beiden wurde bis an den Rand getrieben, wie ein Vulkan, der kurz vor dem Ausbruch stand. Sie würde sich bestimmt an die Demütigung von heute Abend erinnern.
Xing Shu sagte: "Machen Sie sich keine Sorgen, Direktor Cheng. Ich werde auf jeden Fall ein Auge auf Cheng Lang haben."
Cheng Gang wusste, dass Xing Shu es tun würde. Abscheu blitzte in seinen Augen auf. "Warum verziehst du dich dann nicht?" Es war, als sollte sie dankbar sein, dass er sie hatte gehen lassen.
Xing Shu bewegte langsam ihre Füße und kochte. Die heutige Situation ergab sich aus einer Kombination mehrerer Faktoren - ihrer Dummheit, der Boshaftigkeit der Familie Cheng und der Familie Xing. Xing Guotai und Wu Minxia hatten zu viele Gefallen von Cheng Gang erhalten, und die Geschäfte zwischen den beiden Familien waren in den letzten zehn Jahren sehr eng miteinander verflochten gewesen. Xing Guotai und Wu Minxia waren der Gnade von Cheng Gang ausgeliefert, ganz zu schweigen von Xing Shu.
Cheng Gang war es gewohnt, herrschsüchtig zu sein. Es kam ihm nie in den Sinn, dass ein Bauer oder eine Marionette - ein Rebell - ein Mensch ist.
Als Xing Shu zur Tür kam, sah sie Chen Ru auf der Couch sitzen, ihr Gesicht bedeckt und weinend. Sie schaute weg, weil sie es lächerlich fand. Diese herrischen Leute rümpften die Nase über diejenigen, die sie für unter ihrem Niveau hielten, und kauerten doch vor größeren Fischen. Diese Welt ist beschissen!
Xing Shu biss die Zähne zusammen und setzte einen Fuß vor den anderen. Blut sickerte aus der Wunde an ihrem Bein und tropfte an ihrem Oberschenkel hinunter auf den Boden und hinterließ Blutflecken. Doch Xing Shu schien den Schmerz nicht zu spüren, denn sie stapfte schweigend und mit teilnahmslosem Gesicht weiter. Nicht weit entfernt - etwa hundert Meter von der Villa entfernt - sah sie ein Auto warten und den Mann, der vor dem Auto stand. Er stand schweigend in der stillen Nacht. Es schien, als läge eine Landmeile zwischen ihnen.
Nach geraumer Zeit klopfte Cheng Lang sanft auf den Wagen und winkte Xing Shu zu - genau wie damals, als er in der Sunset Bar den Sitz neben ihm tätschelte.
Xing Shu gab zu, dass ihr zig Gedanken durch den Kopf gingen, als sie hörte, dass Cheng Lang gekommen war. Aber als sie ihn unten nicht sah, verschwanden diese Gedanken. Cheng Lang thronte immer noch hoch oben auf seinem Altar. Er kümmerte sich um niemanden, und er würde auch nicht wegen ihr kommen. Doch als sie ihn jetzt hier warten sah, schien ihr kaltes Herz langsam wieder zu schlagen.
Cheng Lang lag die Welt zu Füßen. Das Herz einer Frau zu gewinnen, war genauso einfach. Xing Shus Gedanken waren wie weggeblasen, als sie instinktiv auf ihn zustapfte. Cheng Lang war wirklich etwas Besonderes - er konnte sie fast zu Tränen rühren, indem er einfach nur dastand.
Xing Shu blinzelte mit den Augen. Als sie ihn erreichte, nannte sie ihn nicht in ihrem üblichen verführerischen Tonfall "Junger Onkel". Sie wagte nicht zu sprechen, aus Angst, dass ihr die Tränen kommen würden, sobald sie den Mund öffnete. Sie ging an ihm vorbei und stieg in den Wagen. Lass sie sich einfach selbst etwas vormachen. Lass ihn einfach die Fata Morgana in der Wüste sein. Einfach so tun, als ob ... er hier stand und auf sie wartete.
Cheng Lang stand noch eine Weile da, bevor er in den Wagen stieg.
Xing Shu lehnte sich gegen das Autofenster. Als Cheng Lang die Autotür schloss, blickte sie zu ihm auf. Sie war sehr müde und ihre Kehle schien zu brennen. Als das Auto losfuhr, legte sie sich auf Cheng Langs Schulter. Dann glitt ihr Körper langsam nach unten, bis sie in seinem Schoß lag. Diese Position war sehr bequem. Als sie aufblickte, konnte sie sein scharfes Kinn sehen.
"Junger Onkel, bist du extra gekommen, um mich heute Nacht zu retten?" Xing Shu konnte nicht anders als zu fragen. Sie mochte es nicht, sich selbst etwas vorzumachen - die momentane Selbsttäuschung war schon genug. Sie musste einen klaren Kopf bewahren und frei von jeglichem Wunschdenken sein.
Cheng Lang hielt sich an Xing Shus Taille fest, um sie vor dem Fallen zu bewahren. Während er zärtlich handelte, war seine Antwort eisig. "Nein."
"Oh." Xing Shu war nicht wirklich enttäuscht. Sie schloss langsam die Augen. "Gut, dass du es nicht getan hast. Sonst fürchte ich, dass ich mich in dich verlieben werde."
Xing Shu hatte nicht damit gerechnet, dass Cheng Lang antworten würde. Sie hörte ein leises "Okay", als sie gerade in den Schlaf fiel. Das Gute an Cheng Lang war, dass er den Menschen keine falschen Hoffnungen machte. Bei ihm war immer alles ganz klar.
Der Wagen hielt am Herrenhaus Nr. 1. Dort wartete bereits der Hausmeisterarzt. Mitten im Schlaf spürte Xing Shu, wie jemand ihren Oberschenkel berührte, als ob er ihre Wunde verband. Ihr Körper kochte vor Hitze. Sie wollte sich umdrehen, aber jemand hielt ihre Handgelenke fest.