'Nie Cong spürte, wie seine Kopfhaut unter ihrem stechenden Blick prickelte. Er hatte das Gefühl, geradezu ins Visier genommen zu werden.
Wie erwartet, hielt Gu Yundong inne und fragte ihn: "Brennst du darauf, den Verbrecher zu schnappen, der den Aufstand in der Qing'an-Präfektur angeführt hat?"
"Selbstverständlich", bestätigte Nie Cong und wurde dabei sichtlich ernster. "Diese Person ist überhaupt kein Flüchtling. Er ist ein Bandit, der sich als solcher ausgibt. Er hetzte die Menschen auf, in das Stadtportal einzudringen, nutzte die Gelegenheit um zu morden und zu plündern. Er hat abscheuliche Verbrechen begangen. Nach seiner Flucht soll er sogar umliegenden Dörfern Schaden zugefügt haben. Es ist sehr wahrscheinlich, dass er in unsere Xuanhe-Provinz gekommen ist. Wenn wir ihn nicht so schnell wie möglich ergreifen, fürchte ich, dass noch mehr Menschen leiden werden."
Gu Yundong war keine Heldin, die im Namen des Himmels für Gerechtigkeit kämpfte. Sie hatte nicht dieses brennende Verlangen, das Böse auszurotten, wie Nie Cong es tat. Sie wollte sich momentan nur um ihre eigene kleine Familie kümmern. Ihr Ziel war es, ein wenig Geld zu verdienen.
Also sagte sie ganz gelassen: "Wenn ich euch bei der Ergreifung von Verbrechern helfe, erhalte ich dann eine Belohnung?"
Nie Cong war verdutzt. "Helfen? Wie können Sie helfen?"
"Wird es eine Belohnung geben?"
"... Ja," Nie Congs Lippen zogen sich unwillkürlich zusammen.
"Wie viel?"
"Das hängt davon ab, wie nützlich Ihre Hilfe ist." Nie Cong war skeptisch. Er dachte, sie wäre ebenfalls vor der Dürre geflohen. Hatte sie vielleicht diese Person gesehen oder wusste sie, wo der Gesuchte aufgetaucht war?
Doch Gu Yundong widerlegte sein Gedanke rasch. "Jemand aus eurer Verwaltung hat doch sicher das Aussehen des Kriminellen gesehen, oder?"
"Ja, eine Gruppe unter Kommandant Zhao, die in die Qing'an-Präfektur ging, traf unmittelbar auf diese Person, aber leider entkam er."
"Dann findet einen Soldaten, der ihn gesehen hat, und lasst ihn den Verbrecher beschreiben. Ich werde ihn für euch zeichnen."
Sofort schwand Nie Congs Interesse. Er hatte an etwas anderes gedacht. Nur ein Porträt anfertigen?
Am Stadttor hingen viele Fahndungsplakate. Sie wurden alle von den besten Künstlern der Stadt nach mündlichen Beschreibungen gemalt. Davon gab es genug, sie musste keine zeichnen.
Gu Yundong wusste, was er dachte, als sie seinen Gesichtsausdruck sah. Sie hob eine Augenbraue. "Sag mal ehrlich, hältst du die Porträts auf euren Steckbriefen für ausreichend, um sie mit der wirklichen Person zu vergleichen, die vor dir steht? Ich weiß natürlich, dass du den Verbrecher nicht ausschließlich aufgrund des Porträts festnimmst. Aber du hast doch selbst gesehen, was dem jungen Mann heute passiert ist. Shopkeeper Pan ist sicherlich nicht der Einzige, der seine Position ausnutzt, um sich an einem gefälschten Fall zu bereichern. Danach könnt ihr mit der Ausrede 'Diese Person sieht dem Porträt ähnlich' einen Freispruch erreichen. Macht das nicht Ärger und kostet Zeit und Kraft? Glaub mir, ich kann euch eine Menge Mühe ersparen."
Nie Cong spürte, dass ihre Worte irgendwie falsch waren. Normale Menschen hatten Angst davor, Regierungsbüros zu betreten. Schließlich gab es nur sehr wenige Leute wie Shopkeeper Pan, die nicht die Unendlichkeit von Himmel und Erde kannten und dachten, sie hätten einen einflussreichen Beschützer im Hintergrund.
Er fand jedoch, dass das, was sie sagte, Sinn ergab. Es war zwar selten, aber gab es nicht doch Fälle, in denen das zutraf?
Nach einigem Nachdenken und da er sah, wie zuversichtlich sie war, erklärte Nie Cong vorsichtig: "Wenn du es versuchen möchtest, dann probiere es. Aber du kannst nicht ins Regierungsbüro gehen. Lass uns das privat zeichnen und anschauen. Wenn es nicht funktioniert, tun wir einfach so, als sei nichts geschehen."
"Abgemacht."
Nie Cong sagte, er werde nicht zum Haus seiner Tante gehen. Er hatte Angst, sie zu verärgern, also ging er in ein nahegelegenes Teehaus.
Gu Yundong machte sich Sorgen um Madam Yang und die beiden anderen. Zuerst wollte sie Nie Congs Tante aufsuchen.
Deshalb kehrten die beiden zunächst zu dem kleinen Hof zurück. Als sie eintraten, hörten sie zufällig, wie seine Tante und Madam Yang im Gespräch waren: "...Holt erst mal Wasser zum Waschen. Ihr seht ganz zerzaust aus. Wer es nicht besser weiß, würde denken, Bettler hätten unser Haus betreten. Habt ihr saubere Kleidung? Falls nicht, gehe ich rüber und borge welche für euch. Aber ich warne euch, die Kleidung darf nicht beschädigt werden, sonst müsst ihr dafür bezahlen. Oh je, diese beiden kleinen Süßen..."