webnovel

Erster Besuch

Passenderweise feierte Akio seinen Geburtstag am Wochenende vor seinem ersten Schultag. Die Sonne strahlte durch das Fenster, und auf dem Tisch stand eine kleine, liebevoll verzierte Torte mit vier Kerzen. Akio saß erwartungsvoll auf seinem Stuhl, mit weit geöffneten Augen, während Kiyomi vor ihm stand und das kleine Kunstwerk betrachtete. Ein sanftes Lächeln spielte um ihre Lippen.

„Bist du bereit, mein kleines Flämmchen?" fragte sie sanft, ihre Augen voller Zärtlichkeit.

Akio nickte heftig, seine winzigen Fäuste fest um die Tischkante geklammert. Dann rief er begeistert: "Heute gibt es Torte zum Frühstück!" Kiyomi fragte lächelnd: "Weißt du auch wieso?"

"ICH HAB GEBURTSTAG!"

Kiyomi schnippte mit ihren Fingern. Die Kerzen entflammten auf einmal, als wäre es das Selbstverständlichste der Welt. Akio klatschte begeistert in die Hände. Für ihn war es ein weiterer wundervoller Trick seiner Mutter. Er bewunderte sie so sehr, dass er sich keinen besseren Menschen vorstellen konnte, der solche Magie beherrschte.

„Jetzt darfst du dir etwas wünschen und dann die Kerzen auspusten", sagte Kiyomi. Sie beugte sich zu ihm herunter und gab ihm einen Kuss auf die Stirn.

Akio schloss die Augen, die Stirn gerunzelt. Ein warmes Kribbeln erfüllte seinen kleinen Körper, während er sich etwas wünschte, das er niemandem verriet, nicht einmal seiner geliebten Mutter. Es war etwas, das sein kleines Herz schneller schlagen ließ, etwas ganz Besonderes – und dann blies er die Kerzen mit einem tiefen Atemzug aus. Kiyomi lachte leise, ihre Augen glänzten vor Freude.

„Gut gemacht, mein kleines Flämmchen", sagte sie liebevoll, als die Rauchfäden aufstiegen.

Akio strahlte, und in diesem Moment war alles perfekt – die kleine Torte, die warmen Sonnenstrahlen, und das beruhigende Gefühl, dass alles gut war.

Im Bund bekommen die Schüler immer sehr viel Zeit, um sich langsam selbst besser kennenzulernen und die Themen in der Schule auch ordentlich und vollständig zu verstehen. Es ist üblich mit 4 Jahren die Schule zu beginnen und zwischen 20 bis 22 Jahren die Schule dann so langsam abzuschließen. Die Regierung führte dieses Konzept nach dem letzten großen Krieg ein. Weil die Schüler immer zu sehr viel Stress hatten, sanken die Notendurchschnitte dramatisch ab und viele schlossen unvollständig ausgebildet die Schule ab. Um den Spaß am Lernen und die optimale Ausbildung ihrer individuellen Fähigkeiten zu gewährleisten, sollte ein Schulkonzept in Kraft treten, welches den Schülern ermöglichen sollten möglichst ohne Stress die Schule besuchen können. Die Regierung hatte verstanden, dass Spaß am Lernen effektiver ist, als einem Schüler Druck zu machen gut in der Schule zu sein. Es kam weniger zu Ausfällen von Unterricht, die „Krankheitsfälle" der Schüler wurden seltener, es gab nicht mehr so viele Schulschwänzer und selbst die stillen Schüler beteiligten sich mehr am Unterricht. Damit hatte die Regierung ursprünglich nicht gerechnet. Da die Schüler sich mit ungefähr 10 Jahren dazu entscheiden mussten, zu welchem Lernzweig sie wechseln, konnten die Schüler so leichter und schneller ihre persönlichen Stärken und Schwächen herausfinden. Es war aber niemals festgeschrieben, dass die Schüler bis zum Ende ihrer Schulzeit in diesem Zweig verbleiben mussten. In den ersten beiden Jahren auf einem Lernzweig, fanden die meisten Wechsel statt, wo die Schülerinnen und Schüler sich untereinander austauschen konnten und dann ebenfalls miteinander die Lernzweige tauschen konnten. Alles sollte möglichst darauf hinausführen, dass die Schüler schon früh lernten Verantwortung zu übernehmen und Aufgaben nach Fähigkeiten zu verteilen. Doch dieses Konzept sah vor, dass in den ersten beiden Jahren der Grundphase die Schüler auch noch von einem Elternteil zur Schule begleitet werden sollten, um mit ihnen gemeinsam zu lernen. Da die durchschnittliche Lebenserwartung knapp 200 Jahre für eine Person entsprach, waren diese 2 Jahre nun wirklich keine lange Zeit.

Akio war aufgeregt – heute war sein erster Schultag. Mit gerade vier Jahren begann für ihn nun eine Zeit voller Entdeckungen. Die Schule, eine Art kleine Dorfschule, wirkte mit ihrem sechs Gebäude umfassenden Komplex, der sich um einen gemeinsamen Pausenhof gruppierte, wie eine eigene kleine Welt. Kiyomi begleitete ihn an diesem besonderen Tag, denn in den ersten beiden Schuljahren durften die Eltern noch mit den Kindern in die Schule kommen, um sie beim Übergang zu unterstützen. Akio, fasziniert von allem, zog seine Mutter an der Hand und staunte über die Bilder, Bastelarbeiten und kunstvollen Kalligraphie, die in den Fluren ausgestellt waren.

 

„Mama, schau mal!" rief er und deutete auf die großen gemalten Buchstaben. „Sind das Bilder?"

 

Kiyomi lachte. „Das sind Buchstaben, die wunderschön gezeichnet wurden. Bald wirst du sie lesen können."

 

Akio schmollte kurz. „Aber ich kann doch schon lesen."

 

„Ja, ein bisschen," entgegnete sie schmunzelnd. „Aber bald liest du noch besser, und wer weiß, vielleicht malst du eines Tages selbst solche Buchstaben."

 

Akio sah seine Mutter mit großen Augen an und grinste. Er zog sie weiter durch den Flur, immer auf der Suche nach neuen Eindrücken, bis er plötzlich vor einer großen Fensterscheibe stehen blieb. Draußen sah er einen Spielplatz, und seine Augen leuchteten.

 

„Mama, Mama! Da ist ein Spielplatz! Können wir rausgehen?"

 

Kiyomi lachte, doch sie schüttelte den Kopf. „Heute nicht, Akio. Wir müssen zu deinem Klassenzimmer."

 

Akio seufzte, aber er ließ sich von seiner Mutter in die Richtung des Raums führen, in dem sich die neuen Schüler versammeln sollten.

 

 

**Die Begegnung mit Kevin und seinem Vater**

 

Während sie den Flur entlanggingen, bemerkte Akio einen großen Mann mit strenger Miene, der neben einem kleinen Jungen ging – etwa in Akios Alter, aber mit feuerrotem Haar. Der Junge starrte Akio kurz an, dann wandte er sich an seinen Vater.

 

„Papa, warum sieht der Junge so komisch aus? Hat er noch nie ein Schulgebäude gesehen?"

 

Kiyomi zog leicht an Akios Hand, um ihn zurückzuhalten, doch Akio konnte sich ein Stirnrunzeln nicht verkneifen. „Was ist mit deinen Haaren? Die sind Super-Duper-Rot! Hast du die angemalt?" fragte er den Jungen neugierig.

 

Der Junge sah ihn abschätzig an. „Papa, warum redet der wie ein Baby? Ist der dumm?"

 

Akio starrte den Jungen an, völlig verdutzt über dessen Reaktion, und sah dann zu Kiyomi, die sich an den Vater des Jungen wandte.

 

„Kinder sind neugierig," sagte Kiyomi ruhig, „aber auch direkt."

 

Kevins Vater sah sie mit einem ernsten, fast genervten Ausdruck an. „Ja, aber er sollte lernen, Respekt zu zeigen. Kevin hat nur gefragt, was jeder hier denkt."

 

Kiyomi lächelte kühl. „Kinder lernen Respekt am besten durch Vorbilder – wenn Erwachsene anderen Eltern und deren Kindern mit Achtung begegnen."

 

Ein Funken Ärger blitzte in den Augen des Mannes auf. „Mein Sohn wird Respekt zeigen, wo er ihn auch bekommt," entgegnete er, den Blick unverwandt auf Akio gerichtet. „Kinder sollten ein starkes Umfeld haben, das ihnen hilft, nicht immer alles in Watte zu packen."

 

Kiyomi hielt den Blick des Mannes fest. „Stärke zeigt sich nicht darin, andere niederzumachen. Vielleicht sollten wir ein Vorbild darin sein, zu akzeptieren, dass jedes Kind seine eigenen Fragen und eigenen Wege hat."

 

Kevin, der seinem Vater schweigend zuhörte, sah kurz verunsichert aus, doch sein Vater drückte ihm die Hand, und sein Gesichtsausdruck verhärtete sich wieder. „Wie auch immer," sagte er schließlich. „Kevin wird sich in der Schule schon zurechtfinden. Solange er sich nicht mit den falschen Kindern abgibt, wird er lernen, worauf es ankommt."

 

Akio sah verwirrt zwischen den Erwachsenen hin und her, ohne die ganze Tiefe des Konflikts zu begreifen, doch Kiyomis sanftes Lächeln gab ihm das Gefühl, dass sie stark war und hinter ihm stand. Der Konflikt mit Kevin und dessen Vater blieb jedoch wie eine unausgesprochene Drohung in der Luft hängen.

 

Während Kiyomi und Kevins Vater miteinander sprachen, versuchte Akio, auf seine Art, die Sache mit dem Jungen zu klären. Er schlich sich leise an ihn heran und flüsterte: „Warum hast du das vorhin gesagt? Ich wollte doch nur fragen."

 

Kevin sah ihn nur mit hochgezogenen Augenbrauen an und sagte leise: „Vielleicht, weil du ein Baby bist."

 

In einem impulsiven Moment versuchte Akio, Kevin ein Bein zu stellen, aber Kiyomi bemerkte es und hielt ihn sofort zurück. „Akio, das gehört sich nicht. Du weißt, dass wir so etwas nicht machen."

 

„Aber Mama, er hat gesagt, ich bin ein Baby!" protestierte Akio empört.

 

„Ein Baby? Na, das passt ja," murmelte Kevin leise und grinste Akio schadenfroh an.

 

„Junge," rief Kevins Vater streng. „Genug jetzt. Was habe ich über Respekt gesagt?"

 

Doch als Kevin dann seinerseits Akio mit einem verächtlichen Blick maß, spürte Akio einen kurzen Stich der Wut. Er sah Kevin mit unverhohlenem Groll an, doch Kiyomis sanfter Druck an seiner Schulter ließ ihn innehalten.

 

Als die beiden Familien sich schließlich auf den Weg zum Klassenzimmer machten, sagte Kiyomi leise zu Akio: „Lass uns freundlich sein, auch wenn andere es nicht sind. Wir zeigen Stärke, indem wir so bleiben, wie wir sind."

 

Kevin und sein Vater gingen einige Schritte voraus, und der Vater des Jungen murmelte kaum hörbar, aber noch laut genug für Kiyomi: „Dieser Junge wird es schwer haben, wenn seine Mutter ihm nicht mal beibringt, sich zu verteidigen."

 

Kiyomi spürte den Ärger in sich aufsteigen, doch sie antwortete ruhig und mit Nachdruck: „Mein Sohn wird lernen, Respekt und Stärke auf seine Weise zu zeigen. Und eines Tages wird das vielleicht mehr Wert sein als jedes überhebliche Verhalten."

 

Kevin und sein Vater gingen weiter, und Kiyomi warf einen langen Blick auf ihren Sohn, der nun verwirrt und mit hängenden Schultern neben ihr stand. Sie drückte ihm liebevoll die Hand und führte ihn zum Klassenzimmer. Auch wenn sie sich wünschte, dass Akio nicht schon am ersten Tag mit solchen Konflikten konfrontiert würde, wusste sie, dass dies vielleicht seine erste Lektion in Respekt und Stärke war.

 

Endlich erreichten sie das Klassenzimmer, wo Frau Wirsing, eine ältere, strenge Lehrerin mit einem warmen Lächeln, die neuen Schüler willkommen hieß. Kiyomi lächelte erleichtert – sie hatte diese Lehrerin selbst in ihrer Kindheit erlebt und wusste, dass sie eine ruhige, aber entschlossene Autorität darstellte. Frau Wirsing begrüßte jedes Kind und warf einen prüfenden Blick auf Akio und Kevin, die sich verstohlen ansahen.

 

„Akio, Kevin," sagte sie freundlich, aber bestimmt. „Ich freue mich, dass ihr in meiner Klasse seid. Ich erwarte, dass wir hier alle respektvoll und offen miteinander umgehen."

 

Kiyomi atmete auf, als sie Akio in der Obhut von Frau Wirsing ließ, doch der skeptische Blick, den sie mit Kevins Vater gewechselt hatte, hinterließ einen bitteren Nachgeschmack.

 

Als sie den Raum verließ, murmelte sie leise zu sich selbst: „Was soll dabei schon schiefgehen?"

Hey, schön das du jetzt schon hier bist. Konnte ich deine Interesse wecken? Oder nicht? An was hat es gescheitert? Jede Antwort hilft. Hoffentlich sehen wir uns im nächsten Kapitel.

Bis dann.

Chickenwinnercreators' thoughts
Nächstes Kapitel