webnovel
avataravatar

wachsender Abstand

Es war ein merkwürdiger Zustand, in dem sich Amaya in den letzten Tagen befand. Der Kuss mit Jackson hatte eine Art Wandlung in ihr ausgelöst, eine Veränderung, die sie nicht wirklich fassen konnte. Einerseits hatte sie das Gefühl, ihm näher zu sein als je zuvor, als hätten sie eine Barriere überwunden. Doch andererseits spürte sie auch, dass etwas zwischen ihnen stand , eine unsichtbare Mauer, die nicht einfach fallen wollte.

Jackson hatte sich verändert. Oder vielleicht hatte er sich nicht verändert, sondern war wieder zu dem geworden, was er immer war; distanziert, verschlossen und unerreichbar. Nach ihrem Gespräch am See hatte er sich zurückgezogen, als ob er seine Gefühle erneut hinter einer unsichtbaren Wand verbergen wollte. Er sprach mit ihr, aber seine Worte waren kurz und scheinbar bedeutungslos. Ihre Treffen wurden weniger, und immer wenn sie ihn ansprach, schien er mehr und mehr auf Abstand zu gehen.

Amaya spürte den Schmerz dieser Distanz wie eine physische Wunde. Warum hatte er sie in sein Leben gelassen, nur um sie dann wieder abzustoßen? Sie verstand ihn nicht mehr. Es war, als hätte er sich in sich selbst verkrochen, als hätte er sich entschieden, nicht mehr zu kämpfen, nicht mehr zu riskieren. Doch das war nicht das Jackson, den sie geküsst hatte. Der Jackson, der sich mit ihr an einem stillen See getroffen hatte und sich ihr geöffnet hatte, war jemand ganz anderes. Aber dieser Jackson schien zu verschwinden, mehr und mehr jeden Tag.

An diesem Nachmittag war sie wieder in der Bibliothek, um sich abzulenken. Die Bücherregale um sie herum waren wie immer ein sicherer Hafen, doch selbst die vertrauten Seiten konnten ihr keine Antworten auf die Fragen geben, die sie quälten. Sie saß an einem Tisch in der hinteren Ecke der Bibliothek, ihre Augen auf das Buch vor sich gerichtet, doch sie las nicht wirklich. Ihre Gedanken flogen immer wieder zu Jackson, und je mehr sie darüber nachdachte, desto unsicherer wurde sie.

„Amaya."

Die Stimme riss sie aus ihren Gedanken, und sofort spürte sie den vertrauten Hauch von Nervosität, der sich in ihrer Brust breit machte. Sie blickte auf, und da stand er – Jackson. Aber er war anders. Seine Miene war kalt, distanziert, als hätte er sich noch weiter von ihr entfernt. Kein Lächeln, kein Zeichen von Wärme. Nur die gleiche Maske, die er immer trug.

„Kann ich kurz mit dir sprechen?" fragte er, doch seine Stimme klang so emotionslos, dass Amaya sich fragte, ob er wirklich etwas Wichtiges zu sagen hatte.

„Natürlich", antwortete sie leise, ihre Handflächen begannen zu schwitzen. Sie hatte sich darauf vorbereitet, dass er irgendwann wieder kommen würde, aber jetzt, da er vor ihr stand, fühlte sie sich unsicher und klein.

Sie folgte ihm aus der Bibliothek und hinaus auf den stillen Innenhof, wo die Bäume wie stille Wächter um sie herum standen. Die frische Luft war kühl, doch der Raum zwischen ihnen schien noch kälter zu sein.

„Was ist los, Jackson?" fragte sie schließlich, als sie an einer Bank standen und er sich noch immer nicht zu ihr umdrehte.

Er seufzte und wandte sich ihr zu, aber sein Blick wich ihrem aus. „Ich weiß nicht, wie ich das sagen soll", begann er, „aber ich glaube, es ist besser, wenn wir Abstand halten."

Amayas Herz ruckte in ihrer Brust. „Abstand?" fragte sie, fast ungläubig. „Was soll das heißen?"

„Ich kann das nicht", sagte er, seine Stimme kaum mehr als ein Flüstern. „Ich kann dir nicht geben, was du willst. Ich weiß, dass du mehr verdienst, aber ich... ich weiß nicht, wie ich das alles mit dir verbinden soll."

Die Worte trafen sie wie ein Schlag, und für einen Moment konnte sie nichts sagen. Ihre Gedanken rasten, und die Verwirrung, die sie immer wieder empfand, war jetzt nur noch größer. Hatte er nicht gerade erst gesagt, dass er sie nicht loslassen wollte? Hatte er nicht versprochen, es zu versuchen? Und jetzt zog er sich zurück, bevor sie überhaupt einen Schritt weitergekommen waren.

„Jackson, du kannst nicht einfach so tun, als wäre nichts passiert!", sagte sie scharf. Ihre Stimme war von einer Mischung aus Wut und Enttäuschung durchzogen, die sie nicht länger unterdrücken konnte. „Du hast mir Hoffnung gemacht. Du hast mir gezeigt, dass du bereit bist, etwas zu fühlen. Und jetzt... jetzt lässt du mich einfach im Regen stehen?"

Er sah sie an, und in seinen Augen lag eine Mischung aus Bedauern und Schmerz, doch gleichzeitig eine klare Entschlossenheit. „Ich bin nicht gut für dich, Amaya. Du verdienst jemanden, der dir wirklich geben kann, was du brauchst. Und ich... ich bin nicht in der Lage dazu. Du solltest dich nicht an jemanden wie mich binden."

„Und was bist du dann?", fragte Amaya, ihre Stimme bebt vor aufgestauter Wut. „Ein Versager, der nicht weiß, wie man liebt? Oder einfach jemand, der zu feige ist, es zu versuchen?"

Jackson trat einen Schritt zurück, als ob ihre Worte ihn getroffen hätten, und dann, als er sich wieder gesammelt hatte, sagte er ruhig: „Vielleicht bin ich beides. Vielleicht bin ich jemand, der nicht genug ist. Aber ich will dir nicht wehtun. Ich muss dich loslassen."

„Du tust es schon", antwortete Amaya, ihre Stimme jetzt leise, kaum mehr als ein Flüstern. „Du tust es schon."

Für einen langen Moment standen sie einfach nur da, das Schweigen zwischen ihnen war fast greifbar. Amaya wollte ihm so viel sagen, doch die Worte blieben ihr im Hals stecken. Sie wusste, dass es keinen Sinn hatte, weiter zu reden. Jackson hatte seine Entscheidung getroffen, und auch wenn es ihr das Herz brach, wusste sie, dass sie ihn nicht dazu zwingen konnte, sich zu öffnen. Vielleicht war er noch nicht bereit, vielleicht würde er es nie sein.

„Du hast deine Entscheidung getroffen", sagte Amaya schließlich und wandte sich ab. „Dann ist das wohl das Ende."

Jackson sagte nichts mehr. Er ließ sie gehen, ohne ein Wort zu sagen, und Amaya wusste, dass es endgültig war. Er hatte sich entschieden, sich zu entfernen. Und so blieb sie allein zurück, im Schatten der Person, die sie einst für mehr als nur einen Rivalen gehalten hatte.

Mit jedem Schritt, den sie von ihm wegging, spürte sie, wie der Abstand zwischen ihnen immer größer wurde. Ein Abstand, der nicht nur durch die Entfernung im Raum, sondern durch die Mauern, die er um sich herum errichtet hatte, immer unüberwindbarer wurde.