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Tränen und Trümmer

Warnung: Dieses Kapitel enthält brutale Szenen, die für manche Leser verstörend wirken könnten.

Der Essenzsturm tobt wie ein wütendes Tier über den Marktplatz, wirbelt Trümmer und Staub in die Luft. 

Die zerstörten Marktstände erzählen von einer hektischen Flucht, von Leben das in einem Moment auseinandergerissen wurde.

Seren und ihr Team kämpfen sich durch den Sturm, ihre Augen suchend, ihre Schritte entschlossen. 

Die Schreie der Zivilisten sind verstummt, aber die drückende Präsenz des Sturms hält an, ein ständiges Brüllen und Zischen, das jede Kommunikation erschwert.

"Denkt ihr, das Militär kriegt das unter Kontrolle?" Finns Stimme zittert leicht, trotz der Lautstärke um sie herum.

"Natürlich" antwortet Nico, seine Brust selbsbewusst aufgeplustert.

„Das ist schließlich schon mein dritter Essenzsturm. Ein Stufe 1 Sturm wie dieser hier ist eher ein Training als eine echte Bedrohung."

Finn nickt, ein wenig beruhigt. Doch Seren bleibt wachsam, ihre eisblauen Augen mustern die Umgebung.

"Solange wir uns nicht ins Zentrum begeben und nichts Unüberlegtes tun, sollte alles—"

Ein schriller Schrei durchbricht Nicos Worte, sie schneiden durch den Sturm wie eine scharfe Klinge.

Seren reißt den Kopf in die Richtung des Geräuschs.

"Der Schrei… er klingt nach einem Kind" sagt Kiaran, seine Stimme besorgt.

Ein zweiter, schwächerer Schrei folgt, erstickt und voller Verzweiflung. 

Kiaran deutet auf eine Ansammlung von Trümmern – zerbrochene Holzbalken, zerrissene Stoffplanen und zerquetschte Kisten.

"Da drüben!"

Seren reagiert sofort, ihre Beine setzen sich in Bewegung, noch bevor der Rest ihres Teams realisiert, was los ist. 

Sie schneidet durch den Sturm, entschlossen und fokussiert. Ihre Schritte sind schnell, doch sie bleibt wachsam. 

Holzsplitter fliegen wie Geschosse durch die Luft, doch Seren bewegt sich mit der Präzision einer Schwertkämpferin, weicht jedem Hindernis aus.

"Hört ihr das?" Finns Stimme dringt durch das Heulen des Sturms. 

"Es wird stärker…"

Seren wirft einen schnellen Blick über die Schulter. „Wir holen das Kind, suchen nach der Familie und ziehen uns zurück.."

Die anderen nicken, ihre Gesichter ernst.

Ein schwaches Wimmern dringt durch das Chaos. 

Seren folgt dem Geräusch.

Ein junges Mädchen hockt neben einer zersplittertes Kiste, ihre Knie angezogen, das Gesicht voller Tränen. 

Ihr zerzaustes Haar klebt an ihrer Stirn, und ihre Augen weiten sich, als Seren und ihr Team näherkommen.

"Wie heißt du?" fragt Nico, seine Stimme ungewohnt sanft.

"M-Mara" stammelt das Mädchen, zitternd.

"Wo ist deine Familie, Mara? Wo sind deine Eltern?" fragt Seren.

"Papa ist nicht hier… und… und Mama schläft da"Mit einem kleinen Finger zeigt Mara auf einen massiven Holzpfeiler, der unter den Trümmern eines großen Schmuckzeltes begraben liegt.

Nicos Gesicht wird hart, doch seine Stimme bleibt sanft. „Keine Sorge, wir holen deine Mama."

Seren nähert sich langsam dem Pfeiler. Ihre Augen bleiben an einem Arm hängen, der unter den Trümmern hervorragt. 

Die Finger sind blutig, aber die Haut fühlt sich noch warm an. Hoffnung flackert in Seren auf.

"Hören Sie mich?" ruft sie und zieht vorsichtig an dem Arm. 

Doch Seren spürt zu ihrem Entsetzen keinerlei Wiederstand.

Mit einem widerlichen Geräusch reißt sich der Arm vom Körper los. 

Eine Blutfontäne spritzt auf Serens Gesicht und Uniform. 

Sie erstarrt, ihr Blick fällt auf den abgetrennten Arm in ihrer Hand.

„Nein… nein, das kann nicht—" flüstert sie, ihre Stimme bricht. 

Ihre Knie geben nach, und sie sinkt zu Boden, den Arm noch immer umklammernd.

Kiaran und Finn sind sofort bei ihr, ihre Gesichter spiegeln Entsetzen und Mitleid wider. 

Seren hebt ihren Blick, unfähig, den Anblick zu akzeptieren. Sie greift nach dem massiven Holzpfeiler, hebt ihn mit aller Kraft, die ihre Essenzverstärkung ihr gibt.

Unter dem Pfeiler liegt die grausam zugerichtete Leiche einer Frau. 

Ihr Gesicht ist von Blut und Schmutz verdeckt, ihre Wirbelsäule ragt grotesk aus ihrem Körper heraus. 

Die Blutflecken auf Serens Uniform wachsen, sie hält noch immer den Arm der Frau in ihrer linken Hand.

Serens Blick bleibt auf der Hand der Frau hängen. An ihrem Finger schimmert ein Ring, in das Metall sind die Initialen „L.V." eingraviert. 

Seren zögert, bevor sie den Ring abnimmt. Ihre zitternden Finger umschließen das Schmuckstück, das sich unerträglich schwer anfühlt.

"Seren… wir müssen gehen" sagt Kiaran leise, seine Hand ruht schwer auf ihrer Schulter.

Seren steht langsam auf, ihre Bewegungen mechanisch. 

"Ich weiß…" flüstert sie, ihre Stimme hohl. Sie steckt den Ring in ihre Tasche, ihre Augen glühen vor ungesagter Trauer.

Nico hebt Mara hoch, hält sie behutsam in seinen Armen. 

"Komm, Kleines. Alles wird gut, sagt er, doch seine eigene Stimme zittert.

Seren wirft einen letzten Blick auf die Leiche, bevor sie sich umdreht. 

"Los, raus hier" befiehlt sie, ihre Stimme wieder fest.

Doch in ihrem Inneren tobt ein Sturm, der heftiger ist als alles, was der Essenzsturm jemals anrichten könnte.

Das Team bewegt sich schnell, ihre Schritte hallen durch die leeren Straßen. Doch in der Ferne ertönt ein ohrenbetäubendes Brüllen.

Sie spüren plötzlich einen starken Zuwachs an Essenz in der Luft.