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Großer Verlust

„Kaiden… Kaiden… KAIDEN." Eine weibliche Stimme drang immer lauter an seine Ohren und riss ihn aus seinem erholsamen Schlaf. Langsam kehrte er ins Bewusstsein zurück. Sein leicht bedeckter Körper wurde sanft abgetupft, und er spürte ein erfrischendes Tuch auf seiner Haut. Doch dann realisierte er es – sein Gesicht war bis zur Stirn von einem leichten Rotton überzogen. Wenn er seine Beine bewegen könnte, würden sie verkrampfen und steif werden. Seine Wangen fühlten sich an, als würden sie in Flammen stehen. Wie konnte er das übersehen? War er so benebelt?

Eine attraktive junge Frau, offensichtlich eine Krankenschwester, säuberte ihn. Kaiden wusste, dass er nicht sprechen konnte, aus Angst, schmutzig zu wirken. Also ließ er es geschehen, obwohl es ihm unangenehm war. Seine Gedanken waren tief in die Decke versunken, das Licht schien nicht mehr so grell, und der rote Schleier verschwand allmählich, nur noch ein zartes Rosa blieb.

Mit geschlossenen Augen versuchte er, sich von der Realität abzuschirmen, doch die Gedanken, die ihn heimsuchten, waren noch beklemmender. Sekunden dehnten sich zu endlosen Stunden aus.

Doch dann verblasste sein ohnehin schon gerötetes Gesicht zu schneeweißer Blässe. Seine Augen öffneten sich, und sein Mund, den er öffnen wollte, sträubte sich dagegen. Es war nicht kalt, aber er zitterte dennoch. Seine Lippen fühlten sich trockener an als zuvor, wie ein ausgesaugter Schwamm. Das glänzende, lange blonde Haar wirkte jetzt grau, fast weiß.

Er wagte es nicht zu fragen, aber er musste. Ein Kampf tobte in ihm zwischen seinen Lippen und der Wahrheit. Schließlich siegte die Wahrheit, und die gegnerische Partei wurde besiegt. Die ausgetrockneten Lippen wollten jedoch nicht kampflos aufgeben. Die abgestorbene Haut klebte an seinen Zähnen und wollte einfach nicht loslassen. Schließlich löste sie sich mit leichtem Bluten, und die zitternde Stimme erklang.

Die Schallwellen schienen schwerelos durch den Raum zu schweben, auf der Suche nach dem richtigen Weg. Sie erreichten die Wände, die Decke, das Licht, das Bett, den Lappen, die Fenster und schließlich auch die zierlichen Ohren der Schwester. Die Stimmbänder, die dem Klang eine Stimme verliehen, zeichneten ein Bild von Angst und Verwirrung. Die Worte, die sich in eine Frage formten, konnten nicht länger zurückgehalten werden. „Wo sind meine Hoden?" Das resolute Urteil des nun um 40 Jahre gealterten Kaiden, der nach all den Berührungen einer Frau keine Regung in seinem Körper spürte.

Die Schwester blickte ihn verwirrt an, kratzte sich nachdenklich an der Stirn und realisierte schließlich, dass sie einen großen Fehler gemacht hatte. Sie hatte versäumt, ihm dies mitzuteilen. Schließlich bedauerte sie es und drückte ihr Mitgefühl aus, als sie ihm erklärte, dass auch diese nicht mehr vorhanden waren.

Kaiden wollte diese Wahrheit nicht akzeptieren, regungslos wie eine Leiche im weißen Überwurf des Bettes. Sein Geist schien seinen Körper langsam zu verlassen, der Tod schwebte wieder vor ihm, bereit, ihn fortzutragen.

Doch Kaiden musste der Realität ins Auge sehen und sie akzeptieren.

Die scheinbar endlose Zeit verging, während die Schwester alle notwendigen Tests durchführte. Die Atmosphäre blieb gespannt, aber schien sich langsam zu verbessern. Mit der Zeit zeigte auch Kaidens Vitalwerte eine Besserung, woraufhin die Schwester einen Pfleger herbeirief.

Nach einer kleinen Wartezeit betrat ein gebräunter Mann mit einem etwa siebentägigen Bart den Raum. Er strahlte eine beruhigende Aura aus, obwohl er insgesamt etwas dunkler wirkte. Im Kontrast zu seiner helleren, weißblauen Kleidung schien er ermutigend.

Der Pfleger rollte einen stabilen Rollstuhl mit Stahlumrandung in Richtung des Bettes. Dann kam er beruhigend auf Kaiden zu und streckte die Arme aus. Er legte vorsichtig einige Kissen zur Unterstützung neben Kaiden und hob ihn leicht seitlich an. Da Kaiden keine Beine mehr hatte, wurden die Beinablagen des Rollstuhls ignoriert.

Der weich gepolsterte Sitz und die Rückenlehne boten trotz allem einen gewissen Komfort. Um zu verhindern, dass Kaiden nach vorne kippte, wurden zusätzlich Sicherheitsgurte um ihn angelegt.

Nun war alles bereit für den Transport. Die Räder drehten sich leicht, als der Pfleger langsam losging. Sie bewegten sich so langsam vorwärts, dass selbst diejenigen, die langsam und sanft gingen, sie überholten. Kurz bevor die Schwester zum Abschied winkte, drehte sie sich um und wünschte Kaiden alles Gute. Bei dieser Drehung konnte er sie erstmals vollständig sehen. Die schöne, leicht blasse junge Dame schien ein kleines Schild an ihrer Brust zu tragen.

Da fiel Kaiden ein, dass er ihren Namen noch nicht erfahren hatte. Marie, also, ein wunderschöner Name. Mit diesen Gedanken wandte sie sich ab und schien anderswo gebraucht zu werden. Es war klar, sie war nicht nur für ihn da, sondern für alle, die in diesem Krankenhaus verweilten, eine Schwester und somit eine Pflegekraft.

Marie ging nach rechts, während der Pfleger nach links lenkte. Die Drehung folgte, und Kaiden sah einen langen, scheinbar endlosen Gang. Kaiden, der sich bemühte, jede kleinste Ecke im Detail einzuprägen, fixierte den Weg von der Minute bis zur kleinsten Sekunde in seinem Gedächtnis. Schließlich wurden sie vor dem Raum des MRT abgelassen. Der Pfleger hielt an und öffnete die Tür, schiebend Kaiden mit sanftem Schwung in den neuen Raum.

Dort sah er eine kleine Kammer mit einer riesigen Scheibe, dahinter eine zylinderförmige Röhre, die ihn scheinbar bald untersuchen würde. Ein Fachmann trat auf ihn zu und begrüßte ihn freundlich. Er sagte, dass es unglaublich sei, ihn zu sehen, und er irgendwie gespannt sei. Kaiden fragte, warum das so genau sei, während er im Inneren geschmeichelt wirkte. Der Arzt, der für das MRT zuständig war, erklärte schließlich, dass Kaiden in diesem Krankenhaus unter den Ärzten berühmt sei.

Der Mann, der das Unmögliche möglich gemacht hatte, der allmächtige Unsterbliche, der dem Tod entkommen war und auferstanden ist. Jeder spricht hier über dich. Schließlich hast du die Katastrophe in Florida überlebt. Das ist ein wahrhaftiges Wunder. Kaidens geschmeichelter Ausdruck erstarb, und er wirkte wieder normal wie immer. Innerlich jedoch war er gebrochen.

Angesichts der Worte des Arztes erinnerte er sich an all die Opfer, die gebracht werden mussten. Nicht nur seine Glieder oder er selbst waren verletzt worden, sondern auch seine Psyche.

Er hatte wichtige Menschen verloren.