Akios Kopf fühlt sich schwer an und ein pumpendes Stechen dringt durch seinen ganzen Körper. Wie ein Kopfschmerz, der durch den gesamten Körper reist. Wie bei einem kalten Wind überkommt Akio der plötzliche Schock.
Ak: „Was rede ich da? Ich kann doch nicht über Leben reden, wenn ich selbst derjenige bin, der es beendet hat. Ich habe kein Anrecht darauf so etwas zu sagen. Ich bin nicht der Stärkere, ich bin einfach nur der Rücksichtslosere. Ich höre sie noch immer in meinem Kopf schreien. Wieso habe ich nicht aufgehört? Wieso habe ich nicht zugehört? Ich konnte nicht anders…ja, es musste so sein. Auron hat Recht. Es ging nicht anders. Wenn ich sie nicht getötet hätte, dann wäre ich jetzt an ihrer Stelle tot. Aber gibt mir das irgendwie das Recht deswegen Leben zu nehmen? Ich darf hier nicht zweifeln…"
Au: „Akio."
Ak: „Ha?"
Au: „Du bist wieder sehr vertieft in deine Gedanken, oder? Du brauchst nicht mehr darüber nachzudenken. Es war ja auch für jemanden und nicht nur gegen jemanden."
Ak: „Auron, ich kann nicht so einfach darüber hinwegkommen…Du hast vielleicht ja recht, aber das rechtfertigt gar nichts…Das ist mir gerade klar geworden."
E: „Wenn das so ist Akio, dann solltest du mir sagen können, ob du es wieder tun würdest."
Ak: „Ich will es nie wieder tun…Ich will nie wieder ein Menschenleben nehmen."
E: „Das meine ich nicht. Würdest du dich wieder für jemanden so stark einsetzen und dein eigenes Leben damit in Gefahr bringen, nur um damit jemandem helfen zu können?"
Ak: „…Ich habe mich noch nicht entschieden…Ich will ja helfen, aber nicht so. Ich will keine Menschen dafür töten müssen."
Au: „Es geht dabei doch gar nicht darum Menschen oder andere Rassen zu töten. Es geht darum das Leben von Menschen und anderen Rassen zu schützen. Und manchmal kommt man dann einfach nicht da herum…"
Ak: „Denkst du wirklich so? Was sagst du dazu Elaran?"
E: „Ich denke, dass Auron da nicht ganz unrecht hat. Wenn du deine Perspektive änderst und nicht an den Leben hängst, die du genommen hast, sondern an der Freiheit, die du anderen geschenkt hast, dann sind deine Taten so viel mehr wert. Auch wenn diese Rage bei dir schon etwas zu weit ging…aber darum geht es gerade gar nicht."
Ak: „Ja, das verstehe ich schon, aber dann habe ich gesehen, wie die Frauen hier in ihrer eigenen Freiheit sich selbst verletzt haben. Sie sind aufeinander los gegangen und haben sich gegenseitig geschlagen. Sie haben um diese Kultisten, nein, um diese Männer geweint. Sie haben ihr Leben beschrien und mich dafür beschuldigt. WIE SOLL ICH DA BITTE DENKEN, DAS ICH ETWAS GUTES GETAN HABE? Sie haben ihre Freiheit bekommen und waren undankbar und haben gesagt, dass sie diese Freiheit niemals haben wollten…"
Au: „Ich weiß nicht, was du gehört hast, aber ich habe gehört, dass da auch einige unter ihnen waren, die dankbar für ihre Freiheit waren. Diese Frau, die sogar vor dir auf die Knie gefallen ist. Was ist mit ihr? War das keine Ausdrückliche, eindeutige Dankbarkeit?"
Ak: „Mir geht es doch nicht um ihre Dankbarkeit! Sie wollten diese Freiheit doch gar nicht! Auch wenn sie nun alles machen können und von hier weg gehen können, so tun sie es doch nicht! Ist das nicht ein klares Zeichen? Ein Zeichen dafür, dass sie es nie wollten? Haben wir ihnen unsere Vorstellungen aufgehetzt? Sie vor ihren Augen diesem Massaker ausgesetzt? Sind wir dann nicht schlimmer als die, die sie überhaupt erst hier festgehalten haben?"
E: „Hierbei geht es genauso wenig darum, wer schlimmer oder besser ist Akio. Es waren schlussendlich sie selbst, die sich und die anderen Frauen verletzt haben. Du hast sie nicht dazu gezwungen und ihnen auch keine Bedingungen für ihre Freiheit gegeben. Was sie nun machen, nachdem du sie befreit hast, liegt nicht mehr in deiner Verantwortung. Du hast die Vorarbeit geleistet, aber es sind dann immer noch ihre Leben, die du gerettet hast. Und wenn du das nicht getan hättest, dann hätten sie diese Freiheit der Entscheidung nie gehabt. Wie soll das etwas schlimmes sein?"
Au: „Wir wissen nicht, was sie hier mit ihnen gemacht haben. Sie haben uns zwar etwas erzählt, aber das war so ungenau und unvollständig, dass wir uns nicht einmal ein Bild darüber machen konnten."
E: „Akio, du darfst nicht nur die Unzufriedenen und Wütenden sehen, sondern die, die es sich auch gewünscht, aber nicht ausgesprochen haben. Manchen Leuten fällt es einfach schwer ehrlich zu sein. Sie sagen häufig das Gegenteil des gemeinten. Du darfst dich selbst nicht mit diesen Anmaßungen und möglichen negativen Meinungen über dich nähren. Wenn du deinen Geist weiter damit fütterst, wird es dich nur selbst verspeisen."
Akio schließt seine Augen. In einem Moment der Stille versucht er sich Klarheit zu verschaffen.
?: „Kannst du hier überhaupt sprechen?"
Ak: „Ha?"
Akio war nun schon fast einen ganzen Tag lang weg gewesen. Kiyomi sitzt neben Ferro auf dem Sofa im Wohnzimmer. Langsam kommt den beiden der Gedanke auf, dass es für Akio wohl wirklich schlimm gewesen sein musste, sie bei ihrer Sache erwischt zu haben. Sonst würde er wohl nicht unangemeldet für eine Nacht verschwinden. Doch Kiyomi war sich sicher, dass es Akio gut ging und er nur gerade bei den im Rebellenunterschlupf über die Situation hinwegkommen musste.
K: „Was denkst du über diese Situation mit Akio?"
F: „Es scheint ihn doch härter getroffen zu haben, als ich dachte…"
K: „Keine Sorge, er wird schon wieder kommen. Er ist wahrscheinlich gerade einfach nur bei den Rebellen, um sich von dieser Situation abzukühlen."
F: „Schätzt du es wirklich so ein? Es war ja nichts Schlimmes an dieser Situation."
K: „…Ich weiß nicht. Er scheint zwar schon einen etwas erwachsenere Körper zu bekommen, aber seine Reife ist nicht viel größer als die eines Kindes."
F: „Es ist wirklich etwas problematisch, dass die Regierung seit einiger Zeit die sexuelle Aufklärung in den Schulen abgeschafft hat."
K: „Es gab so etwas in den Schulen?"
F: „Ja, warst du auch nicht da? So viel älter bin ich nicht als du. Du hättest doch auch noch im alten System sein sollen."
K: „…Tja…Ich glaube ich war zu diesem Zeitpunkt bereits raus aus der Schule und… du weißt schon wo..."
F: „Ah…Das hatte ich wohl schon wieder vergessen..."
K: „Wenn ich so darüber nachdenke…irgendwie ist mir das schon peinlich, das Akio mich nackt gesehen hat…"
F: „Dafür musst du dich doch nicht schämen. Du hast einen wunderschönen Körper."
K: „Das ist hier nicht das Problem…Ich weiß nicht, wie ich reagiert hätte, wenn ich meine Eltern so gesehen hätte…Zum Glück habe ich das nie…"
F: „Bei mir dasselbe. Aber wie schlimm muss es wohl für Akio sein, dass er, ohne ein Wort zu sagen über Nacht weg ist?"
K: „Ich hatte dir ja erzählt, dass Akio bei den Rebellen ist. Und ich muss wohl auch noch erwähnen, dass er dort wohl einen guten Anschluss gefunden hat. Er versteht sich wohl gut mit den anderen dort."
F: „Aber dafür seiner eigenen Familie Sorgen zu machen…"
K: „So hatte sich Akio wohl die ganze Zeit gefühlt, als du weg warst…Wir sollten ihm noch etwas Zeit geben. Er wird schon wieder nach Hause kommen."
F: „Wahrscheinlich hast du recht…Er braucht einfach nur mehr Zeit. Und er ist ganz sicher bei den Rebellen?"
K: „Absolut sicher."
Am nächsten Tag ist Akio noch immer nicht zurückgekehrt. Kiyomi macht sich nun etwas mehr Sorgen. Vor allem aus dem Grund, da der Sturm immer näherkommt.
„Dies ist eine erneute Warnung vor dem großen Sturm, der sich mit voller Geschwindigkeit auf uns zubewegt. Es bleibt nicht mehr viel Zeit, um sich für die Sturmzeit einzudecken. Holen sie sich ihre Rationen ab und auch ihren Schutz für ihr Haus. Bleiben sie in ihren Häusern und verschließen sie alle Türen. Verriegeln und schließen sie alle Fenster und offene Ausgänge zusätzlich zur Mana Verschlüsselung auch mit Brettern und ähnlichem. Achten sie auch darauf ihr Dach mit der Mana Verschlüsselung abzuriegeln, um Sturmschäden zu vermeiden. Wir bedanken uns erneut für ihr Mithandeln und Mitdenken in dieser Schwierigen Situation. Wir halten sie am laufenden über den Zustand des Sturmes. (…)"
K: „Er muss ganz sicher bald wieder nach Hause kommen. Der Sturm rückt immer näher. Wo bleibt er?"
F: „Sollen wir ihn bei den Rebellen besuchen und ihn abholen?"
K: „Nein, ansonsten wird er nur noch wütend auf uns, dass wir ihm keine Privatsphäre gelassen haben. Wir warten noch ein bisschen."
F: „Seine Sicherheit ist doch wichtiger. Dann wird er kurz wütend auf uns sein oder etwas länger, aber dafür ist er dann sicher."
K: „Ich sage, wir warten noch bis morgen."
Doch auch am nächsten Tag gibt es keine Spur von Akio.
K: „Verdammt AKIO! KOMM DOCH ENDLICH NACH HAUSE! Der Sturm ist schon so nah, wie noch nie. Wo bleibst du?"
F: „Das reicht jetzt. Ich gehe ihn von dort holen."
K: „Warte…"
F: „Nein, wenn ich ihn nicht von dort abhole, dann könnte noch schlimmeres passieren. Er meinte sowieso schon, dass er mich hassen würde, da wird es nicht noch schlimmer werden können."
K: „Aber Ferro…"
F: „Wenn Akio dort so lange ist und keine Anzeichen dafür gibt, wieder zu kommen, dann macht mir das gewaltige Sorgen. Was, wenn ihm dort etwas zugestoßen ist und er deswegen nicht nach Hause kommen kann?"
K: "…Ferrooo…Wir haben noch Zeit. Er ist ganz sicher dort und wird nach dem Sturm einfach wieder nach Hause kommen. Ich kann ihm doch vertrauen."
F: „Ich muss es tun. Ich brauche das für mein Gewissen und um meine Beziehung zu meinem Sohn wieder verbessern zu können. Wenn doch etwas sein sollte, möchte ich nicht hören, dass er wollte, dass ich ihn holen komme. Ich will dort sein, wenn er mich braucht, auch wenn er denkt, dass er mich nicht braucht."
K: „Wehe du verletzt dich oder kommst nicht heile wieder nach Hause. Ich kann das nicht aushalten!"
F: „Ich werde wieder kommen. Versprochen."
(…)
K: „Ist es nicht zu kalt draußen? Ganz alleine? Ohne Wärme oder Feuer?"
F: „Ich packe das schon. Mein Metall schützt mich und mit meiner Lichtmagie kann ich Notfalls auch Wärme erzeugen."
K: „…Aha…Tschau."
F: „Auf wiedersehen. Ich komme garantiert bald wieder."
Ferruccio machte sich auf, zog seine Jacke und seine warmen Schuhe an und ging nach draußen in den Eisigen Wind und die frostige Umgebung.
F: „Es ist wirklich ungewöhnlich kalt hier…Der Sturm ist scheinbar schon sehr nah. Ich muss mich beeilen. In den nächsten 2 Tagen könnte der Sturm hier alles auseinanderreißen."
Doch für Kiyomi schien das alles nicht so selbstverständlich. Das Risiko dass Ferruccio eingehen wollte, war es wohl nicht wirklich wert. Akio würde auch spätestens nach dem Sturm wieder nach Hause kommen. Bei den Rebellen war er doch sicher.
K: „Der hat sich wohl schon früher dafür entschieden wieder mal den Helden zu spielen. Ob er meine Anmerkung einfach ignoriert hat? Werde ich dann fragen müssen."
Kiyomi geht zum Fenster im Flur und sieht wie Ferruccio dort langsam durch den Schnee und den eisigen Wind stampft. Immer mehr in Richtung der Rebellen. Selbst so ein kurzer Weg zu den Rebellen fühlt sich wie eine Ewigkeit an , wenn es draußen so Eisig und verschneit ist.
Ferruccio wanderte weiter und der Weg wirkte um Längen größer, als er es tatsächlich war. Ferruccio wusste wo sich die Rebellen befanden. Sein Vater war damals auch immer dorthin gegangen. Einmal hatte Ferruccio, als er noch ein kleiner Junge war, versucht seinen Vater bei den Rebellen zu besuchen und hatte Ewigkeiten nach dem Rebellengebäude gesucht, bis er bemerkte, dass er zu viel Umwege gemacht hatte. Es war eigentlich nur ein Weg von 30min zu Fuß. Durch diesen Schnee und Wind vielleicht bis zu 1. Stunde.
Nach etwa 2 Stunden geht Kiyomi etwas besorgt durch die Wohnung.
K: „Er sollte gleich wieder da sein. Normalerweise dauert es nicht so lange bis zu den Rebellen, aber dieser Wind und diese Kälte…Und er muss dann ja auch noch diesen Weg wieder zurückgehen. Aber 2 Stunden…Nein, vielleicht muss er ja auch erst noch Akio überzeugen!? Ja, das kann vielleicht etwas dauern…"
Weitere 2 Stunden später…
K: „Ich habe zwar gesagt, es könnte länger dauern, aber doch nicht so lange. Was ist da los? Verdammt! Wo bleiben sie? Wo sind sie denn? Haben sie sich verlaufen? Wie lange soll ich noch warten? Worauf warten? Kommen beide zurück? Sind jetzt beide bei den Rebellen gefangen? Haben sie Ferro festgenommen? Haben sie herausgefunden, dass er für die Regierung arbeitet? Nein, woher sollten sie das? Unmöglich. Selbst wenn…Ferro würde sie doch alle besiegen, oder nicht? Ein Überfall vielleicht oder…"
Kiyomi ließen die Gedanken nicht mehr los. Was könnte alles passiert sein? Sie ging immer weiter in der Wohnung umher, in den Gedanken verloren, in der Sorge verbissen wurde sie Müde.
K: „Sie kommen wieder…Ja…Ja, ganz sicher. Sie sind ja schon fast da. Wenn ich mich kurz hier hinlege…sind…wieder da…"
Kiyomi legte sich vorsichtig auf das Sofa und schlief nahezu direkt ein. Die Sorgen in ihrem hatten ihren Kopf schwer werden lassen.
Rot. Warm. Alles Heiß. Gemütlich. Endlich Ruhe.
?: „Oh, eine neue Version von dir hier Kiyomi? Nicht, dass es was neues wäre…"
Instinktiv reagiert Kiyomi auf die altbekannte Stimme in ihrem Kopf.
K: „Meister?"
?: „Hey, was geht Kiyomi? Was bringt dich wieder mal hierhin?"
K: „Weißt du das denn nicht?"
?: „Ne, wissen tu ich es schon. Ich wollte es nur von dir hören."
K: „Ich weiß nicht, was ich tun soll, Meister. Meine Gedanken und Sorgen bringen mich noch um."
?: „Hmm…Ist das so? Und was soll ich dann für dich machen?"
K: „Bitte hilf mir. Hilf mir so, wie früher. Bitte heile mich von diesen Sorgen."
(…)
?: „Wenn du schon so lieb darum bittest. Das Feuer wird dich wieder einmal retten."
Die große Halle wirkte leer und Stumm. Der Gestank des trockenen, alten Blutes überkam den gesamten Raum. Akio schaut ins nichts, während Auron und Elaran vor Akio stehen.
Ak: „Was…Was war das?"
Akio sieht sich nochmal um. Diese Stimme…Was hatte sie gesagt? Es ist niemand hier, dem diese Stimme gehört. Er hatte das Gefühl sie schon einmal gehört zu haben. Mehr als einmal. Aber er kannte sie nicht. Diese Stimme gehörte niemandem.
Au: „Was ist los? Wieder am einnicken?"
Ak: „Ich weiß nicht, was das war, aber ich habe mich jetzt entschieden."
E: „Was denn für eine Entscheidung?"
Ak: „Ich glaube ich habe mich endlich entschieden, wer ich sein will. Ich will jemand sein, der denen hilft, die Hilfe brauchen. Ich will das richtige tun. Dafür würde ich sogar über Leichen gehen."