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Wieso mögen mich die anderen nicht?

Kapitel 3: Wieso mögen mich die anderen nicht?

Das dritte Jahr der Mittelstufe hatte kaum begonnen, doch für Akio schien es schon jetzt ein Albtraum zu sein. Überall hörte er Flüstern, und er wusste, dass es nicht gut sein konnte. Die ersten Wochen waren noch harmlos gewesen, doch inzwischen hatte sich die Situation dramatisch verschlechtert. Aus kleinen, bedeutungslosen Bemerkungen waren echte Anschuldigungen geworden, die sich wie ein wuchernder Schatten über seinen Alltag legten.

 

„Hast du gehört, dass er jemanden gewürgt hat?" flüsterte ein Junge in der Mittagspause.

 

Akio hatte nur zufällig das Gespräch belauscht, während er versuchte, sich unauffällig zu verhalten. Er drehte sich leicht, als der andere Junge antwortete.

 

„Ja, und anscheinend hat er ihn ohnmächtig geschlagen. Stell dir das mal vor. Wer macht so was?"

 

„Ich hab gehört, er hat auch Mädchen geschubst," fügte ein drittes Kind hinzu, und die Gruppe kicherte nervös.

 

Akio biss die Zähne zusammen. Sein Puls beschleunigte sich, und ein heißer Kloß bildete sich in seinem Magen. Er wusste genau, über wen sie sprachen. Aber es war nicht wahr. Es war niemals wahr gewesen. Doch was konnte er tun? Jedes Wort, das er sagen würde, würde diese Gerüchte nur weiter befeuern. So hatten es ihm seine Mutter und auch seine Freunde erklärt. Doch in diesem Moment war es schwer, dieser Logik zu folgen.

 

Akio versuchte, sich von der Gruppe zu entfernen, doch ihre Worte verfolgten ihn. Es war, als könnte er die Flüstereien nicht abschütteln. Seine Schritte beschleunigten sich, und er suchte nach seinen Freunden. Er wusste, dass sie ihn verstehen würden.

 

Als er Auron, Lirien und Sophie in der Nähe des Sportplatzes entdeckte, schien er fast erleichtert. „Habt ihr das gehört?" platzte es aus ihm heraus, kaum dass er in ihrer Nähe war.

 

Lirien runzelte die Stirn. „Was meinst du?"

 

„Die reden über mich," sagte Akio, seine Stimme zitterte vor Frustration. „Sie sagen, ich hätte jemanden gewürgt. Und dass ich ein Wutproblem habe. Sie denken, ich bin gefährlich."

 

Sophie legte den Kopf schief. „Wer sagt das?"

 

„Alle," erwiderte Akio heftig. „Es wird immer schlimmer. Es ist, als ob sie alles über mich wissen, was ich nicht getan habe."

 

„Wir wissen, dass das nicht stimmt," sagte Auron ruhig und legte eine Hand auf Akios Schulter. „Lass sie reden. Du weißt doch, wie Kinder sind. Sie übertreiben immer."

 

„Aber es ist nicht nur Übertreibung!" Akio hob die Stimme, sein Atem wurde schneller. „Sie verbreiten Lügen über mich. Ich bin kein Monster!"

 

„Du bist kein Monster," bestätigte Lirien und musterte ihn ernst. „Aber du benimmst dich gerade wie jemand, der den Leuten genau das beweisen will."

 

„Was soll das heißen?" Akio funkelte sie an.

 

„Ich meine," sagte Lirien langsam, „wenn du so reagierst, wie sie es erwarten, dann gewinnst du nichts. Du musst ruhig bleiben."

 

„Ruhig bleiben?" Akio schnaubte und schüttelte Aurons Hand von seiner Schulter. „Wie soll ich ruhig bleiben, wenn sie mich so hinstellen, als ob ich… als ob ich…" Seine Stimme brach, und er wandte sich ab, um die aufsteigenden Tränen zu verbergen.

 

Sophie trat näher. „Akio, wir wissen, dass du das nicht bist. Aber Lirien hat recht. Wenn du auf sie eingehst, dann machst du es schlimmer. Wir sind hier, okay? Wir stehen hinter dir."

 

Ihre Worte schienen ihn zu beruhigen, zumindest für einen Moment. Doch das Flüstern, die ständigen Blicke – sie waren wie eine endlose Schlinge, die sich immer enger um seinen Hals zog. Er wusste, dass es nur eine Frage der Zeit war, bis er nicht mehr ruhig bleiben konnte.

 

Später an diesem Tag, während der letzten Pause, geschah es. Akio saß alleine auf einer Bank, die anderen waren in der Nähe. Er hörte, wie ein paar Kinder in der Nähe redeten.

 

„Ich hab gehört, er hat sogar mal einen Lehrer angeschrien," sagte ein Junge.

 

„Wirklich?" fragte ein anderes Kind.

 

„Ja, und dann hat er irgendwas gegen die Tafel geworfen. Der ist total irre."

 

Akio stand auf, seine Hände zu Fäusten geballt. „Das stimmt nicht!" rief er, bevor er sich zurückhalten konnte.

 

Die Kinder drehten sich überrascht um. „Wer bist du denn?" fragte eines von ihnen.

 

„Das ist alles gelogen!" sagte Akio, seine Stimme bebte. „Ihr kennt mich nicht. Ihr wisst nicht, was passiert ist. Hört auf, solche Sachen zu erzählen!"

 

Die Kinder sahen ihn an, dann begann eines zu lachen. „Warum bist du so aggressiv? Wir haben doch gar nicht über dich gesprochen."

 

Akio öffnete den Mund, um etwas zu sagen, doch ihm fehlten die Worte. In diesem Moment fühlte er sich kleiner als je zuvor. Die Kinder entfernten sich, lachend und tuschelnd, während Akio stehen blieb, seine Hände noch immer zu Fäusten geballt.

 

Seine Freunde kamen zu ihm. Lirien schüttelte den Kopf. „Ich hab dir gesagt, dass du ruhig bleiben sollst."

 

„Ich kann nicht," flüsterte Akio, ohne sie anzusehen. „Ich kann einfach nicht."

 

„Dann lass uns helfen," sagte Sophie sanft. „Wir finden heraus, wer diese Gerüchte verbreitet. Wir sind ein Team, Akio. Du bist nicht allein."

 

Akio sah sie an, ihre Augen voller Entschlossenheit. Zum ersten Mal an diesem Tag fühlte er eine Spur von Hoffnung. Vielleicht würde es besser werden. Vielleicht.

 

Aber tief in seinem Inneren wusste er, dass der Kampf gerade erst begonnen hatte.

 

Die Gerüchte hatten Akio wie ein unsichtbares Netz umwickelt. Überall, wo er ging, fühlte er die flüsternden Stimmen, die verstohlenen Blicke. Anfangs war es nur ein dumpfes Rauschen gewesen, doch mit der Zeit wurden die Worte deutlicher. Sie erzählten Geschichten, die nichts mit ihm zu tun hatten – Geschichten über Gewalt, über Aggression. Geschichten, die ihn wie einen Monster darstellten.

 

An einem sonnigen Nachmittag saß Akio mit seinen Freunden unter dem großen Baum auf dem Schulhof. Der Wind trug Gesprächsfetzen zu ihnen herüber, und Akio konnte nicht anders, als zuzuhören.

 

„... der Junge soll sie geschubst haben," sagte ein Mädchen, das an ihnen vorbeiging.

 

„Er ist total unberechenbar," fügte ein anderer hinzu. „Ich wette, er würde jeden schlagen, der ihm dumm kommt."

 

Akios Hände ballten sich zu Fäusten. „Habt ihr das gehört?" fragte er leise, seine Stimme bebte vor unterdrückter Wut.

 

Lirien warf ihm einen warnenden Blick zu. „Lass es, Akio."

 

„Wie soll ich das lassen?" Akio sah sie an, seine Augen flackerten vor Zorn. „Die reden über mich!"

 

„Du weißt das nicht," warf Auron ein. „Vielleicht meinen sie jemand anderen."

 

„Wer sonst?" Akio sprang auf. „Wer sonst wird so beschrieben? Ich bin es immer!"

 

Sophie legte ihre Hand auf seinen Arm. „Akio, bitte. Du weißt, dass es nur Gerüchte sind."

 

„Gerüchte, die jeder glaubt!" Akio drehte sich zu ihr um. „Du hast doch selbst gehört, was sie sagen."

 

„Ja, aber..." Sophie suchte nach Worten. „Wir wissen, dass es nicht wahr ist. Das ist doch das Wichtigste."

 

„Das reicht mir nicht." Akio ließ sich zurück auf den Boden fallen und vergrub das Gesicht in seinen Händen. „Ich will wissen, woher das kommt. Wer hat damit angefangen?"

 

Lirien seufzte. „Vielleicht sollten wir das wirklich herausfinden."

 

Akio sah auf. „Du meinst, wir könnten es herausfinden?"

 

„Ja, aber nicht so, wie du denkst." Lirien verschränkte die Arme. „Wir hören zu. Lauschen. Finden heraus, wer was sagt, und dann folgen wir den Spuren."

 

Sophie hob skeptisch eine Augenbraue. „Du willst uns zu Spionen machen?"

 

„Wenn es hilft, warum nicht?" Lirien zuckte mit den Schultern.

 

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### Die Mission

 

Am nächsten Tag bewegte sich Sophie scheinbar unauffällig über den Pausenhof. Sie hielt die Augen offen und die Ohren gespitzt, während Akio, Auron und Lirien von ihrem Versteck in den Büschen aus zusahen.

 

„Das ist dumm," murmelte Auron. „Sie wird sofort erkannt."

 

„Halt die Klappe," flüsterte Lirien. „Sie macht das gut."

 

Sophie näherte sich einer Gruppe von Schülern, die leise miteinander tuschelten. Sie konnte einige Fetzen aufschnappen:

 

„... er ist total unkontrolliert..."

 

„Hat angeblich sogar Kevin angegriffen."

 

Sophie runzelte die Stirn. Kevin? Was hatte er damit zu tun? Sie versuchte, näher zu kommen, doch einer der Schüler sah sie direkt an. „Hey, was willst du?"

 

„Äh, nichts!" Sophie lächelte nervös und drehte sich schnell um. Sie ging zurück zu den Büschen, wo die anderen auf sie warteten.

 

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### Die Erkenntnis

 

„Und?" fragte Akio, kaum dass sie ankam. „Was hast du gehört?"

 

„Die haben über dich gesprochen," sagte Sophie, während sie sich auf den Boden setzte. „Aber sie haben auch Kevin erwähnt."

 

„Kevin?" Akio runzelte die Stirn. „Was hat der damit zu tun?"

 

„Ich weiß es nicht genau," gab Sophie zu. „Aber es klang so, als hätte er etwas gesagt."

 

Akio sprang auf. „Ich wusste es! Ich wusste, dass er dahintersteckt!"

 

„Beruhig dich, Akio," sagte Auron schnell. „Das bringt nichts."

 

„Doch!" Akio begann auf und abzugehen. „Ich werde mit ihm reden."

 

„Akio, nein," warf Lirien ein. „Das wird nichts lösen. Wir sollten einen anderen Weg finden."

 

Doch Akio hörte nicht zu. Die Worte der anderen waren wie ein ferner Hall, während seine Gedanken von einer anderen Stimme erfüllt wurden: *„Sie verstehen dich nicht, Akio. Aber ich verstehe dich. Es ist in Ordnung, wütend zu sein. Du hast jedes Recht dazu."*

 

Akio schüttelte den Kopf, als wolle er die Stimme vertreiben. Doch die Wut in seiner Brust brannte heißer denn je. Ohne ein weiteres Wort stürmte er davon.

 

 

Kevin stand mit einer Gruppe von Freunden am Rand des Schulhofs. Akio marschierte direkt auf ihn zu.

 

„Kevin!" rief er, seine Stimme schneidend wie ein Messer. „Ich will mit dir reden."

 

Kevin drehte sich langsam um, ein spöttisches Lächeln auf den Lippen. „Oh, der Zwerg hat etwas zu sagen? Was ist los, Akio?"

 

„Hör auf, Lügen über mich zu verbreiten!" Akio ballte die Fäuste.

 

Kevin lachte. „Lügen? Du bist doch selbst schuld, wenn die Leute sowas glauben."

 

„Was?" Akio machte einen Schritt nach vorn. „Was redest du da?"

 

„Du bist doch wieder hier, um Ärger zu machen," sagte Kevin mit einem Achselzucken. „Passt doch perfekt zu dem, was alle sagen."

 

Akios Fäuste zitterten. Die Stimme in seinem Kopf flüsterte: „Geh weiter. Lass ihn nicht so mit dir reden."

 

Auron zögerte, seine Augen fixierten Akio für einen Moment. „Ich will mit diesem Unsinn nichts zu tun haben," sagte er schließlich leise, bevor er sich umdrehte und ohne einen weiteren Blick zurückzugehen, den Platz verließ. Seine Schritte hallten in Akios Gedanken wie Hammerschläge, während die Worte von Kevins spöttischem Lachen ihn weiter zermürbten.

 

„Lirien, mach was!" rief Sophie, die immer noch zögerte, zwischen Akio und dem eskalierenden Konflikt einzugreifen. Lirien biss die Zähne zusammen. „Ich hole einen Lehrer," rief sie entschlossen und rannte davon, ihre Schritte schneller und energischer als Aurons Abgang.

 

Akio stand nun allein vor Kevin und seiner Gruppe. Seine Hände ballten sich, die Fingernägel gruben sich in seine Handflächen, bis der Schmerz kaum noch spürbar war im Vergleich zur Wut, die in ihm tobte.

 

Kevin trat näher, der Abstand zwischen ihnen wurde geringer, aber der Ausdruck des Spotts in Kevins Gesicht blieb gleich. „Na, was jetzt, Aggro?" begann er höhnisch, laut genug, damit seine Freunde hinter ihm kichern konnten. „Deine tollen Freunde haben dich hängen lassen. Sieht so aus, als ob sie endlich gecheckt haben, was für ein Psycho du bist."

 

Akios Atem wurde schwerer. Die Welt um ihn herum verschwamm, und Kevins Stimme war alles, was er hören konnte. Seine Schultern bebten vor aufgestauter Wut und Enttäuschung.

 

„Keiner will dich hier haben," fuhr Kevin fort, seine Worte triefend vor Spott. „Und jetzt stehst du hier ganz allein. Bereit für den nächsten Gerüchtestoff, den ich über dich verbreiten kann?"

 

Akio hob den Kopf. Sein Blick war starr und unverwandt auf Kevin gerichtet. Der Boden schien sich unter seinen Füßen zu bewegen, aber es war nur die Welle von Emotionen, die seinen Geist erfasste.

 

„Was willst du jetzt tun?" fragte Kevin provokant und verschränkte die Arme. Seine Freunde scharrten sich kichernd um ihn.

 

Akio antwortete nicht. Seine Freunde waren fort, und der letzte Rest von Zurückhaltung, der ihn davon abhielt, etwas zu tun, begann zu bröckeln.

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