Ray hatte öfter mit der Puppe gekämpft, als er zählen konnte. Doch das Kämpfen gegen die Puppe langweilte ihn schnell, da er erkannt hatte, dass mit seinem neuen Kampfstil an seine Grenzen gestoßen war.
Noch mehr Zeit mit Kämpfen zu verbringen, wäre nur reine Zeitverschwendung.
Natürlich würde Ray sein Training fortsetzen, aber er würde lieber draußen trainieren und die frische Luft genießen, anstatt in der alten Scheune zu bleiben.
Schlussendlich entschließt er sich, die Hügelkuppe erneut zu besuchen. Aus irgendeinem Grund war es zur Routine geworden, den Gipfel des Hügels aufzusuchen und er freute sich jeden Tag darauf. Als Ray den Gipfel erklomm, zeigte sich bereits ein Lächeln auf seinem Gesicht.
Für gewöhnlich hatte er ein Lächeln auf den Lippen, eine Vorfreude darauf, Amy zu erzählen, dass er die Trainingspuppe endlich besiegt hatte. Doch als er dort ankam, sah er niemanden. Nichtmal ein Hauch von Amy war zu sehen.
"Das ist seltsam, habe ich die Zeit falsch im Kopf?" Ray war sicher, dass Amy genau hier hätte sein müssen. Seine Gedanken rasten, was wohl passiert sein könnte. Vielleicht würde sie einfach später kommen.
Er machte wie gewohnt weiter, trieb seinen Körper an seine Grenzen. Ray fühlte sich wie eine Art Besessener, süchtig nach körperlichem Training. Jetzt, da er wusste, dass er Fortschritte machte, schien er sogar noch mehr Spaß dabei zu haben.
Einige Stunden waren vergangen, doch von Amy fehlte immer noch jede Spur.
Ray hatte das Gefühl, dass etwas Ungewöhnliches vor sich ging, aber er konnte es nicht richtig einordnen. Schließlich kam er zu dem Schluss, dass er wohl einfach zu aufgeregt war, Amy von seinem jüngsten Erfolg zu berichten und dass er anfing, sich unruhig zu fühlen.
Er spürte die Müdigkeit in seinem Körper, lehnte seinen Kopf gegen den Baum und schloss die Augen. Er hoffte, dass Amy da sein würde, wenn er seine Augen wieder öffnen würde. Dass sie vor ihm stehen und ihm direkt ins Gesicht starren würde, um ihn aufzuwecken, wie an jenem Tag.
Als Ray einige Stunden später aufwachte, war Amy leider immer noch nicht da.
Seufzend ging er den Hügel hinunter und kehrte ins Dorf zurück.
Dort hörte er Flüstern und Gemurmel.
"Habt ihr gehört, was passiert ist?"
"Jemand muss losgehen und sie suchen!"
"Oh nein... sie sind noch so jung..."
Als Ray sich dem Dorfzentrum näherte, bemerkte er einige Erwachsene, die die anderen Dorfbewohner um Hilfe baten.
"Hat jemand unsere Kinder gesehen? Es ist schon dunkel und sie sind immer noch nicht zurückgekommen!"
"Bitte! Wenn jemand etwas weiß, dann sagt es uns bitte!"
Ray erkannte die meisten der Erwachsenen, die um Hilfe baten, nicht, aber zwei von ihnen sahen Amy und Gary verblüffend ähnlich. Eltern sehen ihren Kindern oft sehr ähnlich. Waren sie verschwunden? War das der Grund, warum Amy heute nicht an ihrem üblichen Platz war?
Nach einigen Minuten trat ein alter Mann vor.
"Das letzte Mal, als ich sie sah, kauften sie neue Waffen in meinem Geschäft..."
Die Worte des alten Mannes trafen Ray mit voller Wucht.
Er erinnerte sich an ein Gespräch mit Amy, das sie kürzlich über ihren Bruder geführt hatte.
Gary hatte anscheinend mit ihr darüber gesprochen, in den Wald zu gehen, um einige Tiere zu jagen. Amy hatte offensichtlich versucht, ihn davon abzubringen. In dem Wald gab es hauptsächlich Tiere der Grundstufe, kurz gesagt, jeder mit ein wenig Geschick sollte es lebendig dort raus schaffen.
Aber obwohl der Wald wegen des Vorhandenseins von Menschen im Allgemeinen sicher war, gab es immer die Möglichkeit, dass ein Tier einer höheren Stufe auftauchte. Auch wenn das selten war, eine Chance bleibt eine Chance. Das Schlimmste könnte jederzeit passieren.
Die Standardregel beim Jagen war, dass man es nie ohne die Begleitung eines Abenteurers oder eines gut ausgebildeten Wächters tun durfte.
Die Tatsache, dass Gary heute eine neue Ausrüstung gekauft hatte, bedeutete, dass er sich auf etwas vorbereitete und es bestand eine gute Chance, dass er und seine Freunde heute zum Jagen in den Wald gegangen waren. Das erklärte, warum so viele Erwachsene ihre Kinder suchten.
Diese Leute hatten niemanden, den sie um Hilfe bitten konnten.
Rays Eltern, das Bollwerk dieses Ortes in Bezug auf Fähigkeiten, waren immer noch unterwegs. Rays Vater war noch auf der Suche nach der Aufgabe, die er vom Königreich erhalten hatte, während seine Mutter noch in der Stadt war.
In der Stadt gab es viele fähige Wachen, aber sie hatten ihre Arbeit zu tun und konnten ihren Posten nicht verlassen, um niedere Arbeiten zu erledigen.
Obwohl Ray Gary und seine Freunde hasste, war Amy nett zu ihm. Er freute sich jeden Tag darauf, mit ihr zu sprechen.
'Trotzdem, Menschen sind der Grund, warum ich leide und warum ich damals sehr gelitten habe. Sie haben das verdient, oder nicht?'
'Das ist nur das Karma für das, was sie mir angetan haben…'
Ray war inmitten seiner inneren Debatte, als er sich plötzlich an die Worte erinnerte, die er zu Amy gesagt hatte.
"Das stimmt... Ich erinnere mich. Ich habe Amy versprochen, sie zu finden und ihr zu sagen, dass ich die Puppe besiegt habe, wenn ich es geschafft habe!"
Ray rannte so schnell er konnte in den Wald, in der Hoffnung, dass es noch nicht zu spät war.