Kapitel 5: Feuerprobe - Teil 1

Vor lauter Schreck habe ich, während ich dem Raben hinterherrenne, nicht bemerkt, dass ich mein Handy fallen ließ. "Ja, Max? Hier Ruby. Tyler hat sein Arbeits-Handy im Büro vergessen. Max?... Hallo?" Ich laufe einen endlos langen Tunnel entlang. In der Ferne ist ein grelles Licht zu sehen, das immer näher kommt. An den Seiten steht überall: "Ausgang Nord, Danger!, Passen Sie auf Beasts auf!" Im Gegensatz zu der Stadt ist der Tunnel nur schwach beleuchtet.

"Warum passiert das alles? Ich laufe jetzt ganz alleine auf die Oberfläche. Was mache ich nur, wenn mich ein Beast angreift?" Während ich den Tunnel entlang laufe, versuche ich verzweifelt durch meine Willensstärke, irgendetwas Adlermäßiges hervorzubringen. "Wie zur Hölle haben das Anja und Pit so schnell hinbekommen?"

Im Hauptsitz von A.L.I.C.E sitzt Ruby gerade in ihrem Büro und versucht, Tyler per Privat-Handy zu erreichen: "Komm schon, Troy, geh ran!" nuschelt sie vor sich hin, als plötzlich Tylers Stimme ertönt. "Ruby? Was ist los?" Mit Erleichterung fängt Ruby an zu erklären: "Hallo Troy. Ich weiß, dass du eigentlich Feierabend hast, aber ich habe schlimme Nachrichten. Ich glaube, dass die Schlüssel, Max und Anja, zur Oberfläche gegangen sind! Ich erhalte sämtliche Warnungen von ihren Ortungschips." Einen kurzen Moment erfüllt Stille das Gespräch, dann erwidert Tyler: "Stelle den genauen Standort fest. Ich komme wieder ins Büro!" "Gut, ich mach mich an die Arbeit!" Ruby legt auf.

"Komm schon. Komm schon! Konzentriere dich, Max!" nuschle ich vor mich hin, während ich immer noch versuche, mir Adlermerkmale wachsen zu lassen. Ich wollte schon aufgeben, als ich bemerke, dass sich mein Rücken schwerer anfühlt. Ich schaue nach hinten und sehe Adlerflügel, die mir gewachsen sind. "Ja! Endlich! Ich habe es endlich geschafft!" schreie ich vor Erleichterung. Das Licht kommt immer näher. An manchen Stellen sieht man schon Efeu und andere Rankpflanzen den Tunnel Richtung Ausgang entlang wachsen.

Kurz vorm Ausgang halte ich inne, weil es mir beim Anblick der Oberfläche, die Sprache verschlägt. Außerhalb des Tunnels erstreckt sich ein Wald, nein, ein Dschungel. Ich will gerade weitergehen, als ein markerschütternder Schrei eines Beasts mir kalt den Rücken runterläuft. Ich schaue nach oben, und durch die dichten Kronen der gigantischen Bäume sehe ich ein Beast mit Flügeln am Himmel fliegen. Ist das der Rabe?

In der letzten Stadt liefern sich Ruby und Tyler gerade eine hitzige Diskussion darüber, wie sie jetzt vorgehen sollen. "Troy, draußen ist es noch viel zu gefährlich für die Einheit. Sie haben ihr Training noch nicht absolviert!" sagt Ruby besorgt. "Es ist zwar gefährlich, aber wir müssen die anderen der Eliteeinheit auch nach oben schicken, um nach Max und Anja zu suchen", erwidert Tyler. Ruby schaut Tyler entrüstet an. "Das kannst du nicht von den Kindern verlangen! Sie werden draufgehen. Sie wissen gerade mal, wie sie ihre Tiermerkmale hervorbringen. Sie haben noch keinerlei Kampferfahrung, Troy!" "Was hältst du davon, die Silverheart Geschwister mit einer Verstärkungstruppe loszuschicken? Pit hat ja, wie du weißt, das meiste Potenzial, seine Kräfte zu frühzeitig zu beherrschen. Und ich glaube, Olivia wird von seiner Entschlossenheit mitgezogen", antwortet Tyler. "Und Lucas einfach so zurücklassen! Das kann nicht dein Ernst sein! Er fühlt sich sowieso schon unwohl in der ganzen Situation hier. Wenn du ihn zurücklässt, verschlechtert sich sein Selbstwertgefühl noch mehr!" Ruby hält inne und sagt dann leise: "Ich glaube, ich wäre einverstanden, wenn die Eliteeinheit zusammen mit einer Verstärkungstruppe an die Oberfläche geht." Kaum gesagt, leitet Tyler schon alles in die Wege.

Pit, Olivia und Lucas sind schon am Schlafen, als plötzlich in der Unterkunft ein ohrenbetäubender Alarm losgeht. Alle drei gehen noch müde nach unten ins Wohnzimmer. "Ist es schon Morgen?" nuschelt Olivia noch schlaftrunken in sich hinein. "Also, wenn das der Wecker ist, dann können die mich mal!" schimpft Pit. "Moin." sagt Lucas leise. "Ach sieh mal an, der bringt ja doch 'nen Ton raus", erwidert Pit spöttisch. "Kann man diesen Alarm irgendwie ausschalten?" fragt Olivia, als plötzlich die Eingangstür aufgeht und Herr Tyler und Ruby hereinschreiten. "Guten Morgen, Kinder", fängt Ruby an. Pit verdreht die Augen. Tyler fährt fort: "Euer Training fällt aus. Wir haben einen Notfall. Max und Anja sind heute Nacht ohne Erlaubnis an die Oberfläche gegangen. Wir glauben, dass Anja etwas zugestoßen sein könnte. Ihrem Ortungschip nach ist sie 2 Kilometer vom nördlichen Ausgang der Stadt entfernt." Alle drei der Eliteeinheit unterbrechen Herrn Tyler. "Ortungschip?" Ruby erklärt: "Wir haben euch Ortungschips eingepflanzt, für genau solche Fälle. Falls irgendwer verschwindet..." Tyler unterbricht: "Das tut jetzt nichts zur Sache! Die Lage ist ernst! Ihr drei werdet mit Verstärkung nach oben auf die Oberfläche gehen und mit uns im Funkkontakt stehen. Wenn irgendwas passieren sollte, wird die Aktion sofort abgebrochen." Ruby muss sich einen Schluchzer unterdrücken. "Wir hoffen natürlich, dass es nicht soweit kommt. Aber wenn doch, dann müssen Max und Anja allein wieder zurückfinden."

Nach der Erklärung steht der Rest der Eliteeinheit vor dem kaputten Nordausgang und wartet auf die Verstärkung. "Pit, ich habe Angst!" sagt Olivia zu ihm. Pit schaut sie an und sagt dann: "Das wird jetzt unsere Feuerprobe. Bleib immer dicht hinter mir!" Lucas schaut Pit verdutzt an, so mitfühlend hat er ihn noch nie erlebt. Ist er doch nicht so verkehrt? Pit fügt hinzu: "Lucas! Kratz ja nicht ab, sonst bring ich dich um!" Plötzlich fahren mehrere Sprinter ein, aus denen Männer und Frauen mit Gewehren aussteigen. Sie tragen alle eine modern aussehende Uniform mit Metallplatten. Auf der linken Brust ist das Logo von A.L.I.C.E. Mit gedämpfter Stimme sagt ein Mann zu der Eliteeinheit: "Seid ihr bereit?" Olivia und Lucas nicken leicht. Pit seine Augen werden zu Wolfsaugen, und er sagt entschlossen: "Ja! Lasst uns losziehen!"