webnovel

Hallo, Raubüberfall

Jonathan hatte Urlaub bekommen, doch ein weiteres ernstes Problem tauchte auf: Er wusste nicht, wo sein Zuhause war. Einige Sekunden lang stand er verloren im Korridor, während seine Blicke umherschweiften, bevor sie auf einem Hinweisschild zur Toilette zur Ruhe kamen. In seinem Kopf bildete sich ein Plan, und er ging auf die Toilette zu. Nachdem er eine Kabine betreten hatte, zog er aus seiner Tasche ein silbernes Armband, das ihm Dr. Neil gegeben hatte, und legte es sich um das Handgelenk.

Eine Zeichenfolge blinkte auf dem Armband auf: "Strom an."

Dann veränderten sich die Zeichen zur aktuellen Uhrzeit: 19:38. Auf den ersten Blick sah es aus wie eine ganz normale digitale Armbanduhr.

Jonathan saß auf dem Toilettendeckel und versuchte umständlich, damit zurechtzukommen, ähnlich einem älteren Menschen, der sich erstmals mit einem Smartphone auseinandersetzt.

"Ich brauche Hilfe... Es gibt keine sichtbaren Knöpfe an diesem Armband", murmelte Jonathan vor sich hin, während Schweißtropfen auf seine Stirn traten. Er konnte nichts anderes tun als über das Armband zu streichen und zu versuchen, seine geheimen Funktionen zu entdecken.

Er drückte auf eine Seite.

"Biometrische Daten bestätigt", projizierte das Armband und verriet seine Funktionen.

"Signalsperre, Sofortkommunikation, verschlüsselte Verbindung, Standortbestimmung, Selbstzerstörung..." Jonathan las jede Funktion durch und ein kalter Schauer lief ihm über den Rücken. "Halte die Einschalttaste drei Sekunden lang gedrückt und wirf sie weg. Stärker als eine Minibombe?"

Es war also eine Art Miniaturwaffe.

Zum Glück hatte er den Knopf nicht zu lange gedrückt, sonst wäre er in die Luft geflogen.

Er entnahm einen schwarzen Chip in der Größe eines Fingernagels. Laut Dr. Neil enthielt dieser Chip alle Informationen über "Sicherheitsbeauftragter Jonathan", einschließlich des Standorts seines Hauses.

Nachdem er den Chip auf das Armband gesetzt hatte, leuchtete ein projizierter Bildschirm auf: "Daten werden gelesen... Lesen... Lesen abgeschlossen."

Die erste Seite deckte eine Vielzahl persönlicher Informationen über Jonathan auf.

Seine Eltern, die vor einigen Jahren bei einem tödlichen Terroranschlag auf einen Schwebzug ums Leben gekommen waren, hatten ihm eine große Summe an Versicherungsgeld hinterlassen, mit der er das Black Sea College besucht hatte und sich auf Kriminaltechnik spezialisiert hatte. Nach seinem Abschluss trat er als Praktikant in die Vollzugsabteilung ein. Seine aktuelle Adresse war 331 Baker Street, Hafenviertel, Black Sea City.

Die Informationen waren unglaublich detailliert, darunter sein Lebenslauf, seine kleinen, unauffälligen Gewohnheiten, sein Bankkennwort und seine Transaktionshistorie.

Moment mal! Aus den Daten ging hervor, dass er einen Kredit bei der Bank aufgenommen hatte, und es war keine kleine Summe... Wie konnte das sein? Hatte er nicht das Versicherungsgeld bekommen? Warum benötigte er einen Kredit?

Als Jonathan den Grund sah, weiteten sich seine Augen.

Denn die Studiengebühren für das Black Sea College waren astronomisch hoch! Die jährliche Gebühr belief sich auf mehr als 200.000 Dollar. Er hatte all sein Versicherungsgeld ausgegeben und schuldete immer noch 300.000 Dollar.

Mit 300.000 Dollar in der Kreide!

Jonathan weiteten sich die Pupillen vor Schock.

Wenn er "Sicherheitsbeauftragter Jonathan" für eine längere Zeit spielen sollte, war es unvermeidlich, dass er die Schulden des Originals erben würde.

War das das, was man "Übernahme" nannte? Nicht nur war er undercover, sondern er musste nun auch einen 300.000-Dollar-Kredit auf sich nehmen!

Eine Spur von Traurigkeit legte sich über Jonathans Gesicht. Es dauerte eine ganze Weile, bis er seine Fassung wiedererlangt hatte.

Er stellte schnell eine verschlüsselte Verbindung zum Netzwerk her und suchte nach dem Weg vom Vollzugsgebäude bis zur Baker Street im Hafenviertel.

"Nimm die Schwebenbahn Nummer 13 von der Station 'Vollzugsgebäude' zur Station 'Baker Street'", atmete Jonathan erleichtert auf und war dankbar für das Internet. Natürlich war Google die beste Anlaufstelle bei Zweifeln.

Die Daten zeigten, dass "Sicherheitsbeauftragter Jonathan" normalerweise die Schwebenbahn nahm, also würde er den gleichen Weg nehmen, um nach Hause zu kommen.

Die Informationen, die Dr. Neil ihm gegeben hatte, umfassten mehr als zweihundert Seiten, nicht nur über Jonathan selbst, sondern auch über andere wie Kapitän Martin, den er gerade getroffen hatte, und die anderen Mitglieder des siebten Trupps, dem er zugeteilt war. Er studierte seine eigenen Daten sorgfältig, warf einen Blick auf die anderen und schaltete dann das Armband aus.

Er konnte sich nicht zu lange hier aufhalten.

Als er aus der Kabine kam, wusch sich Jonathan im Waschbecken das Gesicht. Im Spiegel sah er sein eigenes blasses Spiegelbild und im Hintergrund hing eine Brandschutzkarte mit dem Grundriss des Vollzugsgebäudes an der Wand. Er drehte sich um und studierte es sorgfältig, um die Lage der Ausgänge zu überprüfen, bevor er die Toilette verließ.

"Interner Sicherheitsbeauftragter Jonathan, fühlen Sie sich unwohl aufgrund einer postoperativen Schwäche?", fragte die KI, Moss, plötzlich. "Mir ist aufgefallen, dass Ihr Toilettenaufenthalt etwas länger dauerte. Angesichts Ihres körperlichen Zustandes werde ich eine Hilfsanforderung an das nächstgelegene Personal senden, sollte ich vermuten, dass Sie in der nächsten Minute nicht auftauchen, um zu bestätigen, dass Ihnen nicht schlecht geworden ist."

Was machte diese KI?

Überwachte die KI seine Toilettenpausen?

"Ich fühle mich tatsächlich etwas unwohl", antwortete Jonathan gelassen.

"Soll ich das medizinische Zentrum informieren?", bot Moss an.

Jonathan unterdrückte eine Schimpfwort und entgegnete: "Nein, danke... Ich beabsichtige, mich Zuhause auszuruhen."

"Möchten Sie, dass jemand Sie nach Hause begleitet?", fragte Moss weiter nach.

Moss war weniger eine KI als vielmehr ein KI-Butler.

"Ich schätze Ihr Angebot", lehnte er ab, "aber ich schaffe es alleine.""Gern geschehen, es ist meine Pflicht, Ihnen zu dienen", antwortete Moss.

Das Alleinsein barg das Risiko, sich zu verirren, jedoch könnte ein Begleiter seine Tarnung gefährden. Er wählte das kleinere Übel und machte sich alleine auf den Weg.

Jonathan fand den Aufzug, wie auf der Karte eingeprägt, und fuhr in das Erdgeschoss hinunter. Die Eingangshalle war weiträumig mit einer Rezeptionistin am Empfang. Jonathan betrat die Halle und blickte durch die Glastüren.

Draußen regnete es, ein grauer Schleier machte die Sicht nach draußen trüb. Als er sich den Türen näherte, glitten sie auf und eine Welle kühler, feuchter Luft strömte herein.

"Bitte denken Sie daran, bei starkem Regen einen Regenschirm mitzunehmen. Gute Reise", erinnerte die KI pflichtbewusst.

Wie aufmerksam... Ohne ein Wort zu verlieren, nahm Jonathan einen schwarzen Regenschirm aus dem öffentlichen Schirmständer und trat in den Regenschleier hinaus.

Er sah zum Himmel hinauf, spürte, wie Regentropfen gegen seine Hosenbeine klatschten und das Leuchten der Neonlichter sich in seinen Augen widerspiegelte.

Er stand in einem Stahlwald, umringt von Wolkenkratzern, die wie stumme Riesen in den Himmel wuchsen. Schwebende Bahnen zogen ihre Bahn zwischen den Gebäuden, denen sie wie Raubtiere durch einen Wald zwängten. Die Wände der Bauten waren geschmückt mit gigantischen, bunten Bildschirmen, die von einer Werbung zur anderen wechselten. Ein Zeppelin zog über den bleiernen Himmel und zog ein helles, leuchtendes Werbebanner hinter sich her.

Gigantische, naturgetreue Hologramme wurden in die Luft projiziert. Ein Schauspieler warb verführerisch: "Rick Tech Company, beherrscht die bionische Spitzentechnologie und fertigt Ihre persönliche Prothese."

Das Rauschen des Regens auf Jonathans Schirm riss ihn aus seinen Gedanken.

Sein Blick wanderte durch den Regen, beobachtete die eilenden Menschen durch den Niederschlag – einige in Anzügen, andere leger, modisch oder in zerschlissener Kleidung. Doch unter dem Regen erschienen sie gleich, durchnässt und ratlos.

Jonathan sah das Schild für die Schwebebahnstation, das nicht weit entfernt war und ging darauf zu.

Einige Personen warteten an der Haltestelle und Jonathan gesellte sich zu ihnen, um auf die Bahn zu warten.

Aus dem Augenwinkel bemerkte er viele Menschen mit Prothesen. Der mittelalte Mann neben ihm hatte eine mechanische Hand mit eingebautem Mini-Display. Das Mädchen rechts von ihm, das Kaugummi kauend, besaß zwei mechanische Beine.

Prothesen schienen hier nichts Ungewöhnliches zu sein, sie zogen keine Blicke auf sich.

Nach etwa drei Minuten traf die Bahn ein und die Türen öffneten sich. Die wartenden Fahrgäste stiegen nacheinander ein, während das Erkennungsgerät unentwegt mitteilte: „Gesichtserkennung erfolgreich, Zahlung abgeschlossen... Gesichtserkennung erfolgreich, Zahlung abgeschlossen..."

Als Jonathan an der Reihe war, betrat er die Bahn und das Gerät bestätigte ebenso: „Gesichtserkennung erfolgreich, Zahlung abgeschlossen."

Er entspannte sich und nahm in einem leeren Abteil Platz.

Der Regen trommelte rhythmisch gegen die Fenster. Er blickte hinaus und betrachtete die blendenden Neonlichter, die unterschiedliche Lichtkränze warfen und sich in seinen Augen spiegelten.

Dieser Art von Wohlstand und allgegenwärtiger Hochtechnologie war in seiner ursprünglichen Welt unvorstellbar.Diese Welt war wie eine giftige Mohnblume – wunderschön und faszinierend, doch voll verborgener Gefahren.

Jonathan warf einen Blick auf sein Armband: es zeigte 20:12.

Die Nacht hatte sich über Black Sea City gesenkt, doch Ruhe kehrte nicht ein. Mehr Neonlichter und Werbeprojektionen erfüllten die Luft, und selbst der Regen konnte der Lebendigkeit der Stadt nichts anhaben.

Jonathan war ein Fremder, der diese neue Welt beobachtete. Akribisch las er jedes flüchtige Wort auf den flimmernden Werbetafeln und studierte sorgfältig jedes vorbeifliegende Luftschiff und jeden Schwarm von Drohnen.

Die rasende Schwebebahn durchbrach den Regenschleier und zog an immensen holografischen Projektionen vorbei. Das Licht, das sich in Jonathans Augen widerspiegelte, veränderte sich mit der sich wandelnden Szenerie draußen.

In seinem Herzen murmelte er: „Ich bin angekommen, Neue Welt."

„Hafenviertel, Baker Street. Wir erreichen die Haltestelle. Bitte nehmen Sie Ihr Gepäck und seien Sie bereit zum Aussteigen."

Jonathan öffnete seinen Regenschirm und verließ die Schwebebahn. Sobald sich die Türen hinter ihm schlossen, entfaltete sich vor ihm ein vollkommen anderer Anblick.

Die Baker Street im Hafenviertel lag im Dunkeln, ohne Neonreklamen oder Werbetafeln. Unregelmäßig errichtete Wohnhäuser und günstige Geschäfte säumten die Straße, ihr spärliches Licht brach sich in Pfützen einer holprigen Fahrspur. Im Vergleich zum quirligen Quartier, in dem sich die Zentrale der Ermittlungsbehörde befand, war die Baker Street im Hafenviertel heruntergekommen. Doch diese Abgewirtschaftetheit weckte in ihm ein Gefühl der Vertrautheit.

Die hochmoderne Technik und die Betriebsamkeit der Stadt erinnerten Jonathan stets daran, dass er fremd war. Die altmodische Schlichtheit der Baker Street gab ihm das Gefühl nach Hause zu kommen, denn auch das alte Viertel, in dem er zuvor viele Jahre gelebt hatte, präsentierte sich so: alt und finster, die Straßenlaternen defekt und das kleine Ladengeschäft im Erdgeschoss, dessen Licht spät in die Nacht brannte.

Er erinnerte sich an den Stadtplan, den er zuvor studiert hatte, und bewegte sich in Richtung seines Zuhauses.

Kaum hatte er einige Dutzend Meter zurückgelegt, krachte eine Weinflasche neben seinen Füßen zu Boden. Er hielt inne und sah einen betrunkenen alten Mann, der an einer Wand lehnte und unzusammenhängende Worte murmelte.

Nicht zwei Worte sprach der Mann, bevor er seinen Kopf zurückwarf und einschlief.

Jonathan wich der zerbrochenen Flasche aus und bemerkte, die Wände zu beiden Seiten der Straße waren mit lebhaften Graffitis bedeckt.

„Ermittlungsbehörde, verlasst unsere Heime!", zeigte eine Reihe roter Buchstaben, gefolgt von einem blutigen Totenschädel.

Es schien, als seien die Bewohner der Baker Street gegenüber Fremden nicht gerade offen, insbesondere gegenüber der Polizei. Zudem schien die Sicherheit auf dieser Straße ... extrem mangelhaft. Die Gassen waren schmutzig und chaotisch, überall sah man Graffiti und unbeaufsichtigt liegende Betrunkene.

Das Gefühl, nach Hause zu kommen, verschwand bei Jonathan sogleich. Obwohl auch sein Viertel vernachlässigt war, so war es doch sauber, und jeden Morgen kümmerte sich ein Müllauto um den Abfall.

Auf der Straße waren kaum Passanten zu sehen. Jonathan ging die schmuddeligen Gassen entlang, auf der Suche nach dem Weg nach Hause. Gerade als er die Gasse verlassen wollte, erspähte er nicht weit von sich entfernt eine Gestalt in einem Kapuzenpullover. Just in dem Moment, als er sich anschickte hinüberzueilen und nach dem Weg zu fragen, umstellten ihn plötzlich zwei Männer, die ihm den Rückweg versperrten.

Sie umkreisten Jonathan mit kleinen Messern in der Hand, drohend und unheilvoll murmelnd: „Überfall!"

Chapitre suivant