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Der kleine Schleicher (2)

Noah senkte seine Stimme. Er wollte vor seiner Familie nicht verstört oder beunruhigt wirken, nur weil Ari verschwunden war. Denn wenn er seine Aufregung zeigen würde, begänne seine Mutter zu weinen und zu schreien – so, wie sie es in den letzten Tagen getan hatte. Noah wusste, dass seine Mutter sich Sorgen um seinen Großvater machte.

Wenn Alter Meister Nelson erst erführe, dass Ari verschwunden war, würde er sicherlich wütend auf Noah und den Rest der Familie sein. Das Schlimmste wäre, wenn er die Aktien, die eigentlich Noah gehörten, verkaufte.

Und wenn seine Schwester es herausfinden würde, würde sie ihn verhöhnen und ihm sagen, dass er ein Narr sei.

Keine der beiden Möglichkeiten erschien Noah attraktiv. Also unterdrückte er seinen Ärger, als er die Stimme seiner Schwester hörte, weil er besorgt war, dass Glynn ihn hören könnte. Und wenn seine Mutter auch noch dabei wäre, müsste er sich wohl auf eine weitere Runde Tränen einstellen.

"Du kannst gehen und Glynn Bescheid sagen, dass sie reinkommen kann", sagte Noah zu Edward, der nickte, sich umdrehte und den Raum verließ. Er traf auf Glynn, die vor dem Büro stand und einen dicken Stapel Papiere in den Händen hielt.

Als Edward das sah, zog er unwillkürlich die Stirn kraus. Er war klüger als die anderen und wusste daher, dass etwas nicht stimmte, wenn Glynn mit einem Haufen Papier auftauchte. Doch als Edward daran dachte, wie Ari unter den Händen dieser Familie gelitten hatte, entschied er, seine Gedanken für sich zu behalten.

Genau. Obwohl Edward Ariana längst hätte finden können, verlangsamte er absichtlich seine Schritte, denn er wollte Ari Zeit zum Entkommen geben.

Er erinnerte sich noch daran, wie Ari ihm geholfen hatte, indem sie sich um seine Verletzungen gekümmert hatte.

Vor zwei Jahren,

es regnete aus Kübeln. Als Edward und seine Teamkollegen, die von Nicolais Männern gefasst worden waren, weil sie versuchten, an die Geheimnisse der Familie De Luca zu gelangen – wie es ihr Boss befohlen hatte –, nach der Flucht aus dem Gebiet der De Luca nach Hause fuhren, regnete es in Strömen.

"Verdammt, der Mann hat dich wirklich angeschossen, Edward", rief Josh aus, Edwards rechte Hand, als er das Blut sah, das von Edwards Unterarm floss.

Edward saß auf der Rückbank des Autos und versuchte, seine Gedanken zu ordnen. Er wusste, dass er schwer verletzt war, aber da sie um ihr Leben liefen, hatte Edward keine Chance, sich um seine Verletzungen zu kümmern. Er drehte seinen Kopf leicht nach links und sah die Wunde an seinem Unterarm.

Sie blutete stark und färbte sein schwarzes Hemd mit einer dunkelroten Flüssigkeit.

"Nicolai De Luca ist verrückt", sagte Heather vom Beifahrersitz aus und starrte Edward mit einem Stirnrunzeln an, während Josh auf dem Fahrersitz in Panik geriet. "Er hat nicht einmal gefragt, für wen wir arbeiten, er hat dich einfach angeschossen."

"Das liegt daran, dass er der Typ ist, der zuerst tötet und dann Fragen an die Leiche stellt", erklärte Josh, der immer noch ein erschrockenes Gesicht machte, und das sich noch nicht beruhigt hatte. "Ich schwöre bei Gott, ich dachte, er würde unseren Körper mit Kugeln durchsieben."

Die drei Mitsamt des Restteams schlichen durch das Lagerhaus der De Lucas. Sie wollten lediglich Beweise für deren Waffen und Drogenschmuggel sammeln. Aber ihr Plan scheiterte als Nicolai im Lagerhaus auftauchte und sie anlächelte wie ein verrückter Clown, der in seinem unterirdischen Bunker Kinder ermordete.

"Das hätte er nicht getan", obwohl Edwards Kopf schwindelig war vor Schmerz und Blutverlust, fühlte er das Bedürfnis, seinen Untergebenen die gesamte Situation zu erklären. "Nicolai will, dass Mister Nelson die Konsequenzen seiner Taten kennt. Deshalb würde er wollen, dass wir lebend zurückkehren, um Mister Nelson alles zu berichten."Josh, von Panik ergriffen, beruhigte sich ein wenig, als er Edwards Worte hörte:

"Heißt das, er ist nicht hinter uns her?" fragte Josh und blickte zurück. Als er feststellte, dass tatsächlich keine weiteren Autos hinter ihnen waren außer denen ihres Teams, atmete er erleichtert auf.

"Trotzdem sollten wir zuerst zu den Nelsons zurückkehren", meinte Heather von der Seite. "Ich weiß, dass du sofort medizinische Hilfe brauchst, Ed, aber..."

"Aber Mr. Nelson wird verärgert sein, wenn wir einen kurzen Stopp einlegen, das weiß ich, Heather", Edward war sich des Temperaments seines Arbeitgebers sehr bewusst. Dieser Mann hatte nicht das geringste Mitgefühl für seine Ehefrau, geschweige denn für einen Untergebenen wie ihn.

Und zu allem Übel war Edward gescheitert.

Noah würde außer sich sein.

****

"Du hast versagt?" fragte Noah und blickte von den Dokumenten auf, die vor ihm lagen. In seinem Gesicht stand mehr Verärgerung als Mitgefühl für seine Untergebenen, die dem Tod offenbar knapp entkommen waren, insbesondere Edward, dessen Arm blutete. "Habe ich euch dreien nicht gesagt, wie wichtig diese Aufgabe ist? Ich musste mein Leben riskieren, um Informationen über die De Lucas zu sammeln, und ihr kommt alle ohne Beweise für ihre Verstrickung in den Schmuggel zurück?"

"Wir bitten um Entschuldigung", sagte Edward mit belegter Stimme.

Noah schlug wutentbrannt auf den Tisch und forderte: "Wird eine Entschuldigung meiner Großmutter Gerechtigkeit verschaffen? Verschwindet! Ihr nutzloser Haufen!"

Trotz seiner harschen Worte wagte keiner der drei, Noah zu widersprechen. Edward senkte Reumütig den Kopf vor Noah und murmelte eine kurze Entschuldigung, bevor er sich mit seinen Kollegen zurückzog.

Doch wegen des Blutverlustes pochte sein Kopf heftig und ihm wurde schwindelig.

"Du siehst gar nicht gut aus, Ed. Ich denke, wir sollten ins Krankenhaus fahren", hörte er Heather wie aus weiter Ferne sagen.

Josh mischte sich ein: "Ich fahre."

"Das ist..."

In diesem Moment verlor Edward das Bewusstsein.

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