Akio dachte nach dem letzten Gespräch mit Elaran nun auch häufiger darüber nach, wie andere wohl mit dieser Verantwortung umgingen. Er erinnert sich dabei an eine Klassenkameradin, die schon damals sehr talentiert und überlegen wirkte. Bestimmt hatte Seika, eine alte Klassenkameradin von Akio es deutlich leichter als er damit, mit Verantwortung umzugehen. Doch Seika hingegen, hatte ihre ganz eigenen Probleme...
Seika überlegte oft, warum sie sich in letzter Zeit so allein fühlte. Es schien, als hätten die Menschen um sie herum eine Wand errichtet, die sie nicht durchbrechen konnte. Dabei hatte sie doch immer alles gegeben – bei jedem Wettbewerb, in jeder ihrer Hobbys, in jeder ihrer Entscheidungen. Oder waren es wirklich ihre Entscheidungen?
Seit sie vor drei Jahren auf der Bühne gestanden hatte, war sie von einem Hobby ins nächste gestürzt: Bogenschießen, Klavierspiel, Turnen, Eiskunstlauf, Gesang, Schwimmen. Egal, worauf sie sich konzentrierte, sie war immer außergewöhnlich gut darin. Sie war der Stolz ihrer Eltern und die Vorzeigeschülerin ihrer Lehrer. Doch die Bewunderung verwandelte sich schnell in Neid und Misstrauen.
„Habt ihr schon gehört? Seika bezahlt wohl die Juroren, damit sie immer gewinnt."
„Ja, oder sie lässt sich absichtlich gegen Jüngere einteilen, damit sie immer die Beste ist."
Die Gerüchte machten die Runde, und Seika wusste es. Anfangs ignorierte sie die Worte, doch sie fraßen sich langsam in ihren Kopf. Was, wenn sie recht hatten? Nicht mit den Bestechungen, sondern mit dem, was dahintersteckte? War sie wirklich nur so gut, weil sie keine Konkurrenz hatte?
„Seika übt doch den ganzen Tag. Die hat doch gar kein Leben."
„Sie denkt, sie wäre etwas Besseres, weil sie mit uns nicht trainieren will."
Immer wieder hörte sie diese Worte, bis sie begann, sie selbst zu glauben. Sie fragte sich, ob sie wirklich für sich selbst trainierte oder nur, um die Erwartungen anderer zu erfüllen. Nachts lag sie wach und dachte darüber nach. Was wollte sie wirklich? Warum fühlte sie sich trotz all ihrer Erfolge so leer?
Eines Nachts, während sie auf ihr Kissen starrte, durchfuhr sie ein klarer Gedanke: „Fast nichts davon war meine Entscheidung."
Seika setzte sich auf und atmete tief durch. Die Wahrheit traf sie wie ein Schlag. Das Bogenschießen, das Klavierspiel, das Turnen – all das war ihr von ihren Eltern oder Lehrern nahegelegt worden. Sie hatte nie wirklich gefragt, ob sie es machen wollte. Sie hatte einfach funktioniert.
Aber da waren auch Dinge, die sie liebte: das Schwimmen, der Gesang und – am allermeisten – das Theater. Sie erinnerte sich an das kleine Schultheaterstück, bei dem sie die Rolle des Prinzen gespielt hatte. Das Publikum hatte gelacht, geklatscht, und Seika hatte sich zum ersten Mal wirklich lebendig gefühlt. Es war nicht der Applaus gewesen, sondern das Gefühl, etwas Echtes, etwas von sich selbst zu zeigen.
„Ich will wieder auf die Bühne", murmelte sie. „Ich will nicht perfekt sein. Ich will einfach nur ich sein."
Am nächsten Morgen entschied Seika, dass sich etwas ändern musste. Sie würde nicht mehr alles akzeptieren, was man ihr vorgab. Sie würde für sich selbst entscheiden, was sie tun wollte.
Doch als sie versuchte, diesen Plan umzusetzen, spürte sie sofort den Druck der Erwartungen. Es war nicht so einfach, sich aus den Fesseln ihrer Routine zu befreien. Es gab keine scharfen Schnitte, nur das langsame, schleichende Erkennen, dass sie selbst die Kraft hatte, etwas zu verändern.
Seika sah sich im Spiegel an und sagte leise: „Ich werde nicht mehr das tun, was alle von mir erwarten. Ich werde das tun, was ich will. Egal, was sie sagen."
Zum ersten Mal seit langem fühlte sie sich, als hätte sie die Kontrolle. Es war ein kleiner Schritt, aber ein entscheidender.